Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann gerät in der Corona-Krise unter Druck, kommentiert Reiner Ruf.

Stuttgart - Winfried Kretschmann hat keinen leichten Stand. Er steht da wie ein Hirte, dessen Herde davonläuft. Beschwörend hebt er die Hände und versucht, dem Hasten und Rennen, dem Schieben und Drängen Einhalt zu gebieten. Doch der Wunsch nach Öffnung des gesellschaftlichen Lebens und einem umfassenden Neustart der Wirtschaft scheint übermächtig zu sein. Dem Ministerpräsidenten geht das zu schnell, aber sein Mahnen findet immer weniger Gehör. Er will Kurs halten, als selbstloser Pflichtethiker im Sinne Kants das tun, was er als richtig erkannt hat – losgelöst von den schwankenden Meinungen des Tages. Zeigt da einer Beharrlichkeit, oder ist er nur verstockt; ein alternder Patriarch, der unfähig, einmal eingenommene Positionen zu revidieren? CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart forderte am Mittwoch im Landtag eine Abkehr vom „Krisenpaternalismus“. Wen er damit meinte, musste er gar nicht dazu sagen.