Nach Infektionen bei einem Starkbierfest sind drei bayerische Gemeinden abgeriegelt. Der Landtag wehrt sich gegen allzu tiefe Eingriffe in die Grundrechte, genehmigt aber im Hauruckverfahren zehn Milliarden Euro zur Stützung der Wirtschaft.

München - Von einem Starkbierfest sollen die Corona-Infektionen ausgegangen sein – und die oberpfälzische Kleinstadt Mitterteich war am Mittwoch nur die erste, über welche die bayerischen Behörden eine Ausgangssperre verhängten. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte vor dem Landesparlament am Donnerstag an, zwei weitere Gemeinden in der Nähe von Mitterteich würden noch im Tagesverlauf in gleicher Weise abgeriegelt. Und er schloss eine Ausgangssperre für den gesamten Freistaat nicht mehr aus.

 

In Bayern nehmen die Corona-Infektionen stark zu. Allein von Mittwoch auf Donnerstag Vormittag lag laut Söder der Anstieg bei 20 Prozent; zu diesem Zeitpunkt waren knapp 2300 Personen positiv getestet und zehn Menschen der Krankheit zum Opfer gefallen. „Es werden weiterhin Menschen sterben“, sagte Söder: „Wir sind im maximalen Krisenmodus.“

Die Bürger rief der Ministerpräsident dazu auf, sich an die von der Staatsregierung verfügten Beschränkungen zu halten: „Jeder soll Vernunft walten lassen und sich genau überlegen, ob und wann er wirklich nach draußen gehen muss, in welcher Gesellschaft und zu wie vielen.“ Und er fuhr fort: „Wenn viele Menschen sich nicht freiwillig beschränken, bleibt am Ende nur die bayernweite Ausgangssperre als einziges Instrument. Wir können nicht endlos zuschauen.“

Landtag als Notparlament

Söder hielt seine Regierungserklärung vor einem stark ausgedünnten „Notparlament“. Um Ansteckungen in den eigenen Reihen zu vermeiden, hatten sich die sechs Fraktionen im Landtag darauf geeinigt, die Zahl der Abgeordneten im Plenum auf ein Fünftel, also auf insgesamt 41, zu reduzieren. Und Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) achtete streng darauf, dass zwischen zwei Parlamentariern jeweils mindestens zwei leere Sitze lagen.

In der Aussprache versicherten die Parteien, die strengen Maßnahmen der Landesregierung und sich gegenseitig zu unterstützen; selbst die AfD kündigte an, in den Coronazeiten „keinen Kampf gegen die Regierung“ eröffnen zu wollen. Gescheitert ist Söder aber vorerst mit dem Versuch, im Hauruckverfahren – also noch diese Woche – ein neues Infektionsschutzgesetz durchzubringen. Weil dieses allein dem Ministerpräsidenten die Zuständigkeit eingeräumt hätte, einen „Gesundheitsnotstand“ auszurufen, rebellierten die Landtagsfraktionen. Sie verlangen parteiübergreifend, die Staatsregierung gemeinschaftlich solle den Notstand feststellen – und der Landtag die Möglichkeit bekommen, diesen wieder aufzuheben.

Gesetz mit Ablaufdatum

Wie schon das bayerische Katastrophenschutzgesetz, das eher für Naturereignisse geschrieben ist, soll das künftige Infektionsschutzgesetz die Beschlagnahme von technisch notwendigen Hilfsmitteln erlauben. Die Landesregierung denkt da beispielsweise an Beatmungsgeräte, die in Privatpraxen „versteckt“ sind. Im Gesetzentwurf wird die Polizei zusätzlich ermächtigt, dafür auch Privatwohnungen zu betreten. Gegen diesen Eingriff in die Grundrechte protestieren die Fraktionen aber heftig. Genauso wehren sie sich gegen die sehr allgemein formulierte Möglichkeit des Staates, Bürger zu Hilfsdiensten zu verpflichten. Der Landtag fordert dagegen eine fachlich gerechtfertigte „Zuweisung“ etwa von Medizin- oder Pflegekräfte in konkrete Einrichtungen.

Ferner soll nach dem fraktionsübergreifenden Willen des Landtags das neue Gesetz am 31. Dezember dieses Jahres wieder auslaufen, damit die Lage und der Bedarf nach so strengen Maßnahmen dann neu geprüft werden könnten. Die Verabschiedung des Gesetzes ist nun auf Mitte kommender Woche verschoben.

Milliardenhilfe für Unternehmen

Zur Stützung der Unternehmen in dieser „weltweiten Wirtschaftspandemie“ verlangt Söder auf Bundesebene ein „riesiges Finanzpaket von 100, eher 150 Milliarden Euro“. Bayern gehe mit einer Liquiditäts-Spritze von zehn Milliarden Euro bereits voraus. „Das ist eine Menge Geld. Ich hoffe, es reicht.“ Dafür setzt der Freistaat auch die verfassungsrechtliche Schuldenbremse aus. Söder sagte, es sei aktuell „keine Zeit für Fiskal- oder Haushaltspolitik nach dem Lehrbuch“. Für einen entsprechenden Nachtragshaushalt warb Söder mit den Worten, die Regierenden müssten „mit maximalem Einsatz für größtmöglichen Schutz sorgen, damit Bayern diese Krise überstehen kann.“ Der Landtag folgte ihm noch am selben Donnerstag beinahe geschlossen: mit einer Stimme Enthaltung.