Seit Montag sind in Stuttgart erste Lockerungen der Corona-Maßnahmen spürbar. In lokalen Supermärkten zeigen sich derweil starke Hygiene-Gegensätze. Wir sind durch unterschiedliche Filialen gegangen und haben beobachtet, wie die Supermärkte mit der Situation umgehen.

Digital Desk: Sebastian Xanke (xan)

Stuttgart - „Aufgrund behördlicher Anordnungen ist derzeit nur eine bestimmte Personenzahl gleichzeitig in der Filiale gestattet“, steht auf einem großen Plakat an den Schiebetüren eines Aldi Süd in Stuttgart. Wer jedoch eine Weile vor den Toren des Supermarktes gewartet hat, merkt schnell, dass einen wohl niemand hereinbitten wird, denn am Eingang ist kein Personal zu sehen – man tritt also ein. Drinnen angelangt folgt die Frage an einen Mitarbeiter, was es mit dem Poster auf sich habe. „Ach das, das ist nicht mehr ganz aktuell“, heißt es. Und weiter: „Normalerweise haben wir einen Kundenzähler. Aber wenn da keine Security steht, können Sie einfach rein.“

 

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Einfach rein also, ebenso wie der ältere Herr, der gerade um eine Supermarktecke läuft und seinen Nase-Mundschutz allein für das Bedecken seines Mundes verwendet. Damit ist er nicht allein. Immer wieder lassen sich in unterschiedlichen Läden Menschen beobachten, die ihre Maske lediglich über dem Mund tragen. „Sonst kriegt man so schlecht Luft“, kommt als Erklärung die Antwort. Doch Fakt ist: Ausreichend Schutz für sich und andere bietet die Maske so nicht.

Vom Stoffpulli zu Plastikvisieren

Menschen, die den Mundschutz zu wörtlich nehmen, gehören in den von uns besuchten Stuttgarter Supermärkten allerdings zur absoluten Minderheit. So gut wie alle Menschen, die uns über den Weg laufen, halten sich vorschriftsmäßig an die Maskenpflicht. Und auch bei den meisten Verkäuferinnen und Verkäufern scheint der Selbst- und Fremdschutz im Vordergrund zu stehen. Massive Unterschiede gibt es nur bei der Maskenauswahl.

In einem von uns besuchten, großen Rewe-Markt tragen etwa alle Verkäufer einen üblichen Mund-Nase-Schutz; einige Security-Mitarbeiter warten sogar mit Plastikvisieren vor dem Gesicht auf. Standard ist das allerdings nicht. In einem kleineren Rewe, nur kurze Zeit von dem anderen Supermarkt entfernt, trägt ein Kassierer einen hochgezogenen Stoffpulli als Mundschutz. Von Security, die Einkaufende kontrollieren, ist hier nichts zu sehen.

Ein noch lockereres Bild bietet sich in einem kleinen Stuttgarter Supermarkt. Abgesehen von einer Kassiererin im Eingangsbereich, zeigen sich auch nach einiger Wartezeit im Laden keine weiteren Mitarbeiter. Ein Blick über den gesamten Laden hat die Kassiererin nicht. Prompt fällt eine Dame auf, die zwar deutlich über 60 Jahre alt ist, jedoch keine Maske trägt.

„Wir haben ja niemanden, der am Eingang aufpasst.“

In Ruhe betrachtet sie die Waren, geht schließlich zur Kasse und bezahlt. Nachfrage bei der Kassiererin: „Also es kommen schon immer wieder Leute ohne Mundschutz rein. Wenn ich das sehe, weise ich die Leute in der Regel drauf hin und schmeiße sie raus“, sagt sie. Bei der älteren Frau habe sie die fehlende Maske übersehen. „Aber wir haben ja niemanden, der am Eingang aufpasst.“ Die anderen Mitarbeiter seien „gerade hinten.“

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Manchmal würden die Menschen, die sie ohne Maske herausschmeiße, „weiter Stress machen“. Viele seien schon sauer geworden und hätten trotzdem in den Markt gewollt. Und was meint die alte Dame ohne Mundschutz? „Oh, das habe ich vergessen. Ich bin schnell aus der Wohnung raus und habe nicht dran gedacht. Aber dann war ich ja schon los“, sagt sie und lächelt verlegen. Eine Entschuldigung folgt prompt: „Das sollte man ja eigentlich nicht machen.“ Daraufhin verlässt sie mit ihren Einkäufen den Markt – und wir auch. Beim Hinausgehen kommt uns ein junger Mann entgegen und tritt ein. Ohne Maske.

Einkaufswagenpflicht bei dm

In anderen Supermärkten fühlt es sich vergleichsweise an wie in einer Parallelwelt. In einem Stuttgarter Drogeriemarkt etwa steht schon vor dem Markt eine längere Schlange. Die Wartenden halten vielleicht nicht ganz den empfohlenen, dennoch einen deutlich wahrnehmbaren Abstand zueinander ein. Kurz nach der Eingangstür steht ein Security-Mitarbeiter, der die Menschen je nach Situation hinein winkt.

Das Motto: einer rein, einer raus. Drinnen nimmt die Security die Einkaufswägen von herausgehenden Kunden entgegen, desinfiziert sie und übergibt sie an die nächsten. Einkaufswagenpflicht. Obwohl zum Beispiel nur eine Schachtel Traubenzucker gekauft werden soll? „Ich muss Ihnen trotzdem einen geben“, sagt der Security-Mitarbeiter.

Der Einkaufswagen soll im Markt Abstand zwischen den einzelnen Kunden schaffen und gleichzeitig die maximale Zahl der Menschen im Markt begrenzen. Vorgeschrieben sind diese Regelungen nicht. Erst vor Kurzem forderte der Handelsverband Baden-Württemberg klare staatliche Bestimmungen für Geschäfte. Passiert ist seitdem wenig.

Stadt gibt „Richtgröße“ an

Die Stadt Stuttgart weist auf Nachfrage auf Verordnungen des baden-württembergischen Wirtschafts- und des Sozialministeriums hin. Darin sind unter anderem die Maskenpflicht und das Abstandhalten von 1,5 Metern festgeschrieben. Verpflichtende Security oder Einkaufswagen finden sich in den Anweisungen an sogenannte Einzelhandelsbetriebe nicht.

Wegen der maximalen Anzahl an Einkaufenden in einem Supermarkt sieht die Verordnung 20 Quadratmeter Verkaufsfläche pro Person, einschließlich der Beschäftigten vor. Dabei handele es sich aber nur um eine „Richtgröße“. Grundsätzlich sei „die Anzahl der Kunden im Geschäft in Abhängigkeit von der Verkaufsfläche so zu begrenzen, dass die Abstandsregeln eingehalten werden können.“ Für die einzelnen Supermärkte bietet das Gestaltungsraum.