Oliver Koblenzer braut seit mehr als fünf Jahren Craft Beer. Als sogenannter Gypsy Brewer nistet er sich dafür bei großen Brauereien ein, als einziger im Kreis Böblingen. Aber wie kommt es dazu, wenn man vorher Journalist, Radio-DJ und Taxifahrer war?

Psychologie/Partnerschaft: Florian Gann (fga)

Böblingen - Helene steht umgeben von Bierkästen und Regalen voller Kleinkram an Oliver Koblenzers Arbeitsplatz. Immer, wenn er Zeit hat, schraubt er an Helene rum, macht sie fit für den nächsten Braugang. Helene ist einer von Koblenzers vier Braukesseln, mit denen er ständig neue Biere probiert. Ein wenig Hopfen zugeben, Bier probieren, wieder etwas nachgeben, noch mal probieren. Bis die Mischung stimmt. So entstanden schon 40 Biere in Oliver Koblenzers Bierküche in Böblingen, sechs davon verkauft er unter dem Namen Kraftbierwerkstatt.

 

Vollzeitjob und Bierbrauen, warum tut man sich das an?

Seit mehr als fünf Jahren braut Koblenzer seine Kraftbierwerkstatt-Biere. Er ist damit der einzige Brauer im Landkreis, der eigene Biere macht und vertreibt und dabei eigenständig ist. Das Bier ist sein Hobby, „Hobbyismus“ sagt er selbst dazu und meint damit, dass es extreme Ausmaße angenommen hat. Dazu betreibt er im Hauptberuf eine Film- und Videoproduktionsfirma. „Mein Leben kostet Körner“, sagt der 55-Jährige. Warum tut er sich das an?

Oliver Koblenzer fand in Deutschland einfach nicht das Bier, das er haben wollte. Um zu verstehen, wie er deswegen zum Brauer wurde, muss man auch seine Vorgeschichte kennen. Denn Koblenzer war schon vieles. Er hat die Schauspielschule besucht, ist Taxi gefahren, war Radiomoderator und hat einen regionalen TV-Sender in Böblingen gegründet. Er ist ein Macher. Bier hatte aber lange keine große Rolle gespielt. Er hatte es getrunken, gern auch mal mehrere davon, aber eine leidenschaftliche Beziehung war das nicht.

Koblenzer trank ein Bier auf Hawaii, und es machte Click

Diese Beziehung änderte sich auf seiner Hochzeitsreise 1998 auf Hawaii. Er saß mit seiner Ehefrau irgendwo am Strand und bestellte sich ein Bier. Er weiß noch genau welches: „Long Board“ hieß es, ein Pale Ale von der Brauerei Kona. Er nahm einen Schluck und es machte Click. „Sind da etwa Blumen drin?“, fragt er die Kellnerin. Er klingt jetzt, mehr als 20 Jahre später, immer noch überrascht, als er davon erzählt.

Dieses Biererlebnis hatte ihn gepackt, zurück in Deutschland, wollte er diesen Geschmack wieder erleben. Aber so etwas fand er hier nicht zu kaufen. „Also hab ich das selbst gebraut“, sagt Koblenzer. Über einen Cousin in den USA ließ er sich die speziellen Zutaten schicken, vor allem den Hopfen. Das Thema Bier ließ ihn nicht mehr los. Bis er auf der Craft-Beer-Trendwelle mitsurfte, vergingen aber noch einige Jahre. 2014 gründete er schließlich die Kraftbierwerkstatt und verkauft seither sein „Rock’n’Roll-Bier“, wie es er bezeichnet. Das soll heißen: Es gibt ordentlich was auf die Geschmacksnerven, denn die ganz feinen Töne schmeckt er selbst oft nicht raus.

Bierbrauen von Beruf, das ist zu heftig

Koblenzers Bier für den Markt wird nicht mit Helene, dem Braukessel, gebraut. Das wäre zu umständlich und unzuverlässig. Die Ales, Lager und Weizenbiere kommen aus den Anlagen von Schönbuch in Böblingen oder der Brauerei Bräunlinger. Das Rezept kommt also von ihm, gebraut wird von Berufsbrauern. „Gypsy Brewing“ nennt sich das, ein Konzept, das von vielen Craft-Beer-Brauern verfolgt wird. „Natürlich hätte ich am liebsten eine eigene Brauerei“, sagt Koblenzer. „Aber davon haben mir alle abgeraten.“ Er kennt genug Brauer, die das gemacht haben. Eine eigene Brauerei bedeutet Investitionen und viel Arbeit. „Davon zu leben, das ist heftig“, sagt Koblenzer. Letztlich hat ihn von diesem Schritt aber abgehalten, dass er sich immer noch für seine Videoproduktionsfirma verantwortlich fühlt, die schließlich sein Haupterwerb ist.

Trotzdem: „Ich lebe Bier“, sagt Koblenzer. Selbst auf Reisen – und er reist viel – plant er immer Besuche von Brauereien ein. „Die meisten Anregungen, die ganzen schmutzigen Tricks, habe ich mir auf einer Tour durch Kanada geholt, sagt Koblenzer. Schmutzige Tricks, damit meint Koblenzer etwa Zutaten, die man hinterher ins Bier gibt. Orangen-Schalen und Rosmarin hat der Mann schon ausprobiert, der sich wegen solcher Experimente lieber Bierzauberer als Bierbrauer nennt.

Nach dem Berufsleben könnte sich Koblenzer trotzdem vorstellen, nur noch Bier zu brauen. Dann ausschließlich solches mit einem Alkoholgehalt von mehr als acht Prozent, Kraftbier eben. „Nur für mich und ein paar Kumpels.“ Für ein paar Wochen würde er auch den Wirt machen, „wie in einem Besen“, sagt Koblenzer. Dann könnte er noch einen Beruf auf seine Liste hinzufügen.