Die Freizeitsport-Abteilung des TSV Eltingen veranstaltet erstmals ein Turnier.

Leonberg Eines gleich mal vorweg: Wenn es „Plopp“ macht, also der Ball mit dem paddelförmigen Schläger in die Luft befördert wird, und alle plötzlich unter tosendem Beifall losstürmen, dann mag das muntere Treiben auf dem Rasen bei Außenstehenden durchaus Fragezeichen hervorrufen. Adnan Sadeque wagt einen Erklärungsversuch: „Im Großen und Ganzen ist es wie Baseball“, sagt er, bevor er dann grinsend hinterher schiebt: „Nur ein wenig komplizierter!“

 

Der Mann an der Außenlinie spricht von Cricket – einer aus England stammenden Mannschaftssportart. In Indien und Pakistan ist Cricket Nationalsport, und selbst die Taliban in Afghanistan erlauben das Spiel. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich auf dem Bolzplatz in Eltingen ausschließlich Menschen aus Südasien tummeln. Wortfetzen in Paschtu, Hindi und Urdu drängen ins Ohr, was auch zeigt, dass dort politische oder religiöse Konflikte keinen Platz haben. „Aber die ‚Amtssprache’ auf dem Feld ist Englisch“, erklärt Sadeque und wirft ein „Good Catch!“ hinein.

Das Team der Uni Vaihingen landet ganz vorne

Bei dem Turnier spielen sechs Freizeit-Mannschaften in zwei Gruppen den Sieger aus. Am Ende des Tages ist es die Studenten-Truppe „Square Drive“ von der Uni Vaihingen, die ganz vorne landet. „Anders als bei den Profis, die schon mal fünf Tage lang spielen, dauert bei uns ein Spiel etwa 50 Minuten“, sagt Sadeque über den Sport, bei dem sich im Grunde genommen alles um das Duell zwischen dem Werfer und dem Schläger dreht.

Auf den ersten Blick wirkt Cricket recht statisch. Doch Sadeque versichert: „Man muss immer auf Zack sein, denn es geht aus dem Stand heraus von 0 auf 100.“ Für ihn ist der Sport eine Mischung aus vielen Disziplinen. „Obwohl ich schon recht viel probiert habe, kenne ich keine andere Sportart, die so viel Schnelligkeit und Spielintelligenz erfordert“, sagt der Mann, der in Bangladesch geboren ist.

Mit dabei sind auch zwei Teams vom Gastgeber TSV Eltingen, der zu Jahresbeginn seine Abteilung Freizeitsport um eine Cricket-Gruppe erweitert hat. Die Truppe zählt derzeit 25 Mann und nennt sich „Eagles“. Gruppenleiter Sadeque ging bis 2013 beim ersten offiziellen Cricket-Verein im Stuttgarter Raum, den Stuttgart Cricket Eagles in der Bundesliga, auf Punktejagd und holte den Sport nach Auflösung des Clubs nach Leonberg.

Wettkampferfahrung fehlt

Trainiert wird zwei Mal in der Woche, dazu stehen Freundschaftsspiele auf dem Plan. Ein Turnier, wie jenes auf heimischem Gelände, sei derzeit das höchste der Gefühle. „Das Team braucht Wettkampf“, sagt der Eltinger, der mit dem Einstieg in die Regionalliga liebäugelt – das ist die untere der beiden Cricket-Spielklassen in Deutschland.

Doch bis es soweit ist, gilt es vor allem ein logistisches Problem zu lösen. Derzeit müssen sich die „Eagles“ mit dem Bolzplatz am oberen TSV-Gelände begnügen, und dieser ist ziemlich ungeeignet. Damit der Ball auch ordentlich abspringt, bleibt den Eltingern nichts anderes übrig, als sich mit einer Holzplatte auszuhelfen. „Unter diesen Bedingungen können wir keine Heimspiele austragen“, erklärt Sadeque. Ideal sei hingegen der Kunstrasenplatz. „Da müssen wir aber noch ein wenig Überzeugungsarbeit beim Vorstand leisten“, sagt er.

In Deutschland ist Cricket noch eine Randerscheinung, es gibt nicht einmal einen Profi-Spieler. „Ganz klar, Cricket ist bei uns ein Migranten-Sport“, sagt Sadeque. Und gerade deshalb sieht er den Flüchtlingszustrom als große Chance, den Sport auch hierzulande populär zu machen. „Inzwischen haben sich in ganz Deutschland Teams aus Flüchtlingen gebildet“, weiß er. Dem Deutschen Cricket Bund zufolge gibt es inzwischen mehr als 100 Vereine. Auch in der zweiten Mannschaft der „Eagles“ spielen nur Flüchtlinge, der Großteil stammt aus Afghanistan.

Der Sport lässt einiges vergessen

Für sie ist Cricket weit mehr als nur ein Sport. „Ich habe das Gefühl, dass es für viele der einzige Spaß ist, den sie derzeit in ihrem Leben haben“, sagt Sadeque. Der Mannschaftskapitän Omid Sadat fasst es so zusammen: „Wenn ich auf dem Spielfeld stehe, dann vergesse ich meine Sorgen. Ich blende aus, dass ich in einem fremden Land bin, die Sprache nicht kenne und meine Familie nicht um mich habe“, erklärt der 24-Jährige und sagt: „Es fühlt sich an, als wäre ich in meiner Heimat.“

Adnan Sadeque ist mächtig stolz darauf, dass Omid und die anderen Jungs vom Hindukusch bei den „Eagles“ ein „Zuhause“ gefunden haben. Nicht weniger würde er sich aber freuen, wenn beim Training auch ein Ur-Eltinger aufschlägt. Schließlich sind Toleranz und Weltoffenheit tief verwurzelt in dem Sport. Der erste Cricket-Verband, der „Deutsche Fußball- und Cricket Bund“ wurde 1891 als Reaktion auf den Fußballverband gegründet, der sich damals weigerte, ausländische Spieler zuzulassen.

Cricket in Kürze

Schlagmänner
Beim Cricket stehen zwei Mannschaften mit je elf Spielern auf dem Rasen. Das beginnende Team schickt in der ersten Hälfte (Innings) zwei Spieler mit Schlägern auf das Feld – die „Batsmen“ sind sozusagen die Offensive ihrer Mannschaft. Ihre Aufgabe besteht darin, die „Wickets“ zu verteidigen – das sind Holzkonstruktionen aus drei Längs- und zwei Querstäben, die der Werfer (Bowler) der gegnerischen Mannschaft zu treffen versucht.

Punkte So genannte Runs erzielen die beiden Batsmen, indem sie den Ball wegschlagen – wird der zwischen 156 und 163 Gramm schwere Ball über die Spielfeldgrenze geschlagen, ist es wie ein Homerun beim Baseball – und ihre Positionen tauschen. Das heißt: Sie rennen einmal oder mehrmals über den Pitch (ein speziell gekennzeichneter 20 x 3 Meter großer Streifen in der Mitte des Spielfeldes), bevor die Spieler der Feldmannschaft den Ball zum Wicket zurückbringen können. Jeder Positionswechsel zählt als Run.

Wechsel Das Ziel des zweiten Teams, das aus Werfer und Feldspielern besteht, ist, die Batsmen zu einem Fehler zu bringen und sie damit auszuschalten (Dismissal). Wenn zehn der elf Batsmen ausscheiden, endet der Spieldurchgang und die Mannschaften wechseln ihre Aufgabenstellungen – das zuvor verteidigende Team darf angreifen. Sieger ist, wer die meisten Runs einfährt.