Der CSU-Chef kündigt im Vorfeld der Klausur in Kreuth seinen geordneten Rückzug an und wundert sich dann, dass dies Wellen schlägt.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Kreuth - Im Fernsehen sind von Gerda Hasselfeldt, der Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe in Berlin, auf Bildern aus Wildbad Kreuth vor allem ein Mantel in strahlendem FDJ-Blau und ein weißer Schopf unter einer Art Entenkappe zu sehen. Hände eher nicht. In Wirklichkeit und vor Ort sind aber vor allem die Hände ganz interessant, denn sobald Hasselfeldt sich rhetorisch mit dem Rücken leicht wandwärts gedrückt fühlt, fängt sie verlässlich an, mit ihren beiden Daumen umeinander zu rotieren. Besonders intensiv ist das vor dem Tagungsgebäude im Kreuther Hochtal der Fall, als der Name Reinhard Marx fällt, das ist Münchens und Freisings katholischer Erzbischof und Kardinal, eine Figur, mit der die Partei nur ungern argumentativ aneinanderrasselt.

 

In der anhaltenden Flüchtlingsdebatte allerdings hat sich das nicht vermeiden lassen, denn anders als Marx ist die CSU schon der Ansicht, dass man zwischen Flüchtling und Flüchtling unterscheiden solle: wenn jemand aus „rein wirtschaftlichen Gründen das Recht auf Asyl“ missbrauche, heißt es im Positionspapier der Landesgruppe, müsse er „Deutschland zügig wieder verlassen“. Die CSU rät, „angelehnt an niederländische und Schweizer Modelle“, wie Gerda Hasselfeldt ein wenig ungelenk ausführt, zu „gezielterer Verfahrensführung“. In der Praxis solle eine Ablehnung demnach binnen sechs Wochen durchgesetzt werden können.

Noch eine Wahl gewinnen und dann adieu sagen

Hasselfeldt rechnet solche Anregungen, die über die existierenden Beschlüsse der großen Koalition hinausgehen, unter das Stichwort „Impulsgebung“ ein und ist sehr bemüht, den eher herzlosen CSU-Gesamteindruck aus dem letzen Jahr wiedergutzumachen. Damals hieß es aus Kreuth, wie man sich ungern erinnert: „Wer betrügt, fliegt.“ Eine jetzt tatsächlich tolerantere Attitüde – die Vorlage fordert ausdrücklich das Bleiberecht und die sofort beginnende Ausbildung namentlich junger Flüchtlinge – das müsste auch dem Kardinal Marx zu vermitteln sein, meint der Parteivorsitzende Horst Seehofer. Man werde entstandene  „Missverständnisse“ demnächst gesprächsweise ausräumen.

Seehofer trifft in Kreuth zur CSU-Klausurtagung ein paar Stunden nach Gerda Hasselfeldt ein, und es ist nicht zu überhören, dass er willens ist, sich keinesfalls aus jener inneren „Ruhe und Gelassenheit“ bringen zu lassen, die er über den Jahreswechsel konserviert hat. Seehofers geradezu tibetanische Entspanntheit gründet unter anderem auf die mal wieder geäußerte Absicht, dass im Jahr 2018 für ihn Schluss sei als Ministerpräsident. Noch einmal „einen großen Wahlgewinn“ einfahren an der Seite von Angela Merkel, dann aber Ade sagen. Doch das sei, sagt Seehofer „vom Nachrichtenwert nullwertig“, weil ja schon sein Plan im Jahr 2013 gewesen. Man höre ihm nie richtig zu.

Seehofer arbeitet an seinem außenpolitischen Profil

Andererseits hatte er selber im letzten Herbst erwogen, noch länger zu bleiben, falls sich seine potenziellen Nachfolger Ilse Aigner oder Markus Söder unterdessen zerfleischten. Da aber momentan alles so weit friedlich ist in der CSU – und Seehofer wird nicht müde zu betonen, es stünde schon fast ein Nobelpreis dafür in Aussicht – soll es jetzt dabei bleiben: der Chef lässt sich 2015 noch einmal zum Parteivorsitzenden wählen, 2017 dann nicht mehr, und 2018 ginge er als Ministerpräsident, was wiederum nicht heißt, dass er nicht für die CSU kandidieren könnte.

Den „geordneten Übergang“ stellt sich Seehofer als eine Wegstrecke der Triumphe vor, und weil er weiß, dass in Vorwahlkampfzeiten und in Wahlkämpfen, also 2016 und 2017, argumentativ nichts geht, ist er dafür, dass die CSU eben 2015 ihre Themenpflöcke einschlägt: dazu gehören ein „gesundes wirtschaftliches Fundament“, die Energiewende (wobei die nicht „an einem Strommast scheitern“ soll), die „Neuordnung des Länder-Finanzausgleichs“ und die „Stabilität Europas“. Alles, versteht sich, „ohne Steuererhöhungen“. Und Personaldebatten, sagt Seehofer, der gerade wieder selber eine angestoßen hat, würden tunlichst „nicht geführt“.

Weiterhin arbeitet der bayerische Ministerpräsident daran, auch jenseits von Reisen so etwas wie ein außenpolitisches Profil zu gewinnen. In Kreuth kommen ihm deshalb in den nächsten Tagen der neue Nato-Generalsekretär, Jens Stoltenberg, und der neue EU-Digital-Kommissar, Günther Oettinger, als Diskussionsgäste gerade recht. Das Thema Innere Sicherheit wird mit dem Bundesinnenminister Thomas des Maizière besprochen, dem noch der Außenminister der Ukraine, Pawlo Klimkin, folgt. Zum traditionellen Kaminabend hat sich die CSU den Philosophen Vittorio Hösle eingeladen, von dem zu lernen wäre, dass es mit „sektoriellem Denken“, wie Hösle das nennt, also unter anderem mit der Beschränktheit auf Parteiziele allein, nicht getan sein darf.

Solche Gedanken sind Horst Seehofer vertraut, wiewohl er über die Weihnachtsfeiertage vorrangig Paul Colliers Buch „Exodus“ gelesen hat („fordernde Lektüre“). Collier denkt über eine Neuordnung der Zuwanderung nach. Über seine persönliche Abwanderung wiederum macht sich Seehofer keine Illusionen, zumindest nicht, was das Rezeptionsverhalten der Kanzlerin Angela Merkel betrifft: „Die“, sagt der bayerische Regierungschef, „käme heute schon ohne mich aus“, und ausnahmsweise wird in Kreuth allseits richtig krachend gelacht.