Die Deutsche Bahn will mit neuen Angeboten, mehr Service und einem besseren Schienennetz attraktiver werden. Mit der Strategie „Starke Schien“ will der Staatskonzern bis 2030 die Fahrgastzahlen verdoppeln.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Der Aufsichtsrat des größten Staatskonzerns berät die neue Dachstrategie „Starke Schiene“ am kommenden Dienstag in Berlin. Unserer Redaktion liegt das vertrauliche 180-Seiten-Dokument exklusiv vor, mit der DB-Chef Richard Lutz die Bahn neu ausrichten will. Hauptziel soll sein, künftig mehr und besseren Schienenverkehr in Deutschland zu haben. Die Verlagerung auf die umweltschonende Bahn soll auch den Klimaschutz voranbringen. Dafür sind hohe Milliardensummen für den Ausbau der Infrastruktur, neue Züge und mehr Personal nötig. Die Bundesregierung, so die Forderung, soll deshalb mehr Geld bereitstellen. Im Gegenzug verspricht die DB AG viele Verbesserungen. Ein Überblick:

 

Weniger Staus und mehr Klimaschutz

Die „Starke Schiene“ soll bis 2030 die Kundenzahl in Fernzügen auf 260 Millionen verdoppeln und den Marktanteil der Frachtbahnen auf 25 Prozent steigern. Damit würden laut DB-Rechnung täglich fünf Millionen Pkw-Fahrten und 14 000 Flugreisen vermieden sowie 13 Millionen Lkw-Fahrten pro Jahr. Die neue Bahnstrategie reduziert den Treibhausgas-Ausstoß Deutschlands demnach um 10,5 Millionen Tonnen pro Jahr. Bis 2038 soll der gesamte Bahnstrom umweltfreundlich sein.

Mehr Komfort und überall WLAN

Die DB will nochmals 120 neue Hochgeschwindigkeitszüge bestellen und die Flotte auf 600 Fahrzeuge erhöhen. Allein dafür werde ein zweistelliger Milliardenbetrag investiert, betont die DB-Spitze. Bereits die 130 bestellten ICE 4 kosten mehr als sechs Milliarden Euro, aktuell umfasst die ICE-Flotte 289 Flitzer. 50 der bestellten Züge haben 920 Sitzplätze. Bis 2021 soll es kostenloses WLAN in allen Fernzügen geben, auch im Intercity. Digitale Angebote wie Zeitungen und Filme sollen überall im Zug nutzbar sein.

Großstädte im S-Bahn-Takt verknüpft Im Metropolnetz soll sich Ende 2025 die Zahl der Städte auf 20 verdoppeln, zwischen denen Fernzüge im Halbstundentakt fahren. Bis 2030 werden laut Plan mit der Einführung des Deutschlandtakts dann 30 Städte im S-Bahn-Takt verbunden sein. Auf den meisten Relationen sollen die Fahrzeiten auch durch Sprinter so verkürzt werden, dass der Zug innerdeutsche Flüge ersetzen kann.

Schnellerer Anschluss in der Fläche

Fast alle Städte ab 100 000 Einwohner bekommen bessere Anbindung an den Fernverkehr mit Abfahrten mindestens alle zwei Stunden. Auch kleinere Städte werden profitieren, weitere sieben Millionen Menschen und dann 80 Prozent der Bundesbürger direkten Zugang zum ICE-, Intercity- und Eurocity-Netz bekommen. Die Zahl der Zughalte soll bundesweit um fast zwei Drittel gegenüber 2015 steigen. Im Nahverkehr sollen eine Milliarde Fahrgäste pro Jahr zusätzlich gewonnen werden, auch durch neue Mobilitätsangebote und bessere Vernetzung.

Nützliche Apps für Reise und Buchung

Der beliebte DB Navigator, den bereits mehr als neun Millionen Kunden nutzen, soll mit 35 Prozent Zuwachs zur größten Reise-App Europas ausgebaut werden. Im Fernverkehr sollen mehr als 80 Prozent der Tickets digital gebucht und der Check-in per Smartphone zur Regel werden. Der Navigator soll Bahnkunden künftig von daheim zum Bahnhof und an den Platz im Zug führen sowie durchgängige Reiseinfos in Echtzeit bieten.

Co-Working-Spaces in Bahnhöfen

Seit der Bahnreform 1994 sind vor allem viele kleinere Stationen zeitweise oder dauerhaft zu Schandflecken verkommen. Nun entdeckt die DB AG ihre mehr als 5400 Mobilitäts-Drehscheiben neu und will deren Basisqualität erhöhen. Für Reinigung, Instandhaltung und bessere Fahrgast-Infos gibt es mehr Geld. An zunächst 16 „Zukunftsbahnhöfen“ sollen Angebote und Aufenthaltsqualität unter anderem durch Co-Working-Spaces verbessert werden. Bis 2023 werden alle DB-Lounges modernisiert.

100 000 neue Radparkplätze

Zur besseren Vernetzung der Schiene mit anderen Verkehrsmitteln und schnellem Umstieg sollen rund 100 000 Radabstellplätze an Bahnhöfen entstehen. Auch mehr Haltestellen für Fernbusse, Bike- und Carsharing-Angebote, E-Ladestationen und Park-and-ride-Plätze soll es künftig geben. Die Kapazität der Bahnhöfe soll von täglich 20 auf 40 Millionen Gäste verdoppelt werden.

Weniger Engpässe bei der Infrastruktur

Der Investitionsstau beim 33 000 Kilometer langen bundeseigenen Schienennetz mit betagten Brücken und Weichen ist gewaltig und hat sich nach DB-Angaben in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht. Für die Bahnkunden bedeutet das längere Fahrzeiten, unzuverlässige Verbindungen und weniger Angebote. Nun soll die Betriebsleistung um 30 Prozent durch Ausbau, Modernisierung und umfassende Digitalisierung erweitert werden.

Mehr und motivierte Mitarbeiter

Die Bahn will 100 000 Mitarbeiter in den nächsten Jahren einstellen. Nachdem die letzten Zukunftskonzepte der DB-Spitze an der Basis kaum ankamen, sollen nun die Beschäftigten mehr eingebunden werden und 15 der 30 Strategiebausteine selbst liefern, mit denen die Bahn robuster, schlagkräftiger und moderner werden soll. Das vielfach beklagte „Silodenken“ der mehr als 9500 Konzerneinheiten soll bekämpft, die Arbeit auch in der Berliner DB-Konzernzentrale konsequent auf Nähe zu Kunden und Mitarbeitern ausgerichtet werden.