Stuttgart von oben, von seinen Dachterrassen und Dachgärten aus gesehen. Das ist das Thema unserer Serie „Über den Dächern der Stadt“. Wir geben Einblicke in öffentliche und private Dachterrassen. Zum Beispiel in den privaten Rückzugsort des SWR-Moderators Ben Streubel auf der Königstraße.

Stuttgart - Eines Tages blickte Ben Streubel vom Außenbereich seiner Wohnung hinab und stellte fest, dass sich unten eine Menschentraube gebildet hatte. Sollte es sich bei den mit Smartphones ausgerüsteten Leuten um Fans handeln? Wie sich später herausstellte, war der Spiderman, der an der Dachterrassen-Brüstung kauert, der Grund für die Versammlung: Er ist ein Pokémon Go Hotspot. Vor allem aber ziert der Marvel-Held eine wahre Oase oberhalb der Stadt.

 

15 Jahre ist es inzwischen her, dass Ben Streubel sein heutiges Domizil bezogen hat. Damals konnte er von seiner mediterran bepflanzten Terrasse aus noch bis zum Eckensee blicken. Dann wurde der Neubau gegenüber hochgezogen. So hoch, dass er die benachbarten Gebäude, das Haus der katholischen Kirche und St. Eberhard beinahe überragt. Geblieben ist die freie Sicht auf das Treiben rund um den Pusteblumenbrunnen, der 1977 zur Bundesgartenschau in der verkehrsberuhigten Königstraße installiert wurde. Richtung Schlossplatz reicht der Wahrnehmungsradius locker aus, um den Diesel vom Stromaggregat der S-21-Gegner bei ihren Montagsdemos zu erschnuppern. Streubel selbst spricht schmunzelnd vom „Leben im Freizeitpark“. Wenn ihm danach ist, kann er sich dem urbanen Rummel hingeben. Lehnt er sich zurück, bilden die wahrscheinlich einzigen wild wachsenden Oliven in Bahnhofsnähe eine natürliche Barriere zur Alltagshektik.

Er kann seinem eigenen Lebensrhythmus folgen

„Da ich vorwiegend nachts moderiere, ist es sehr angenehm, etwas abgeschieden zu leben“, sagt der 46-Jährige. „Ich kann meinem eigenen Lebensrhythmus folgen. Ich bin mein eigener Herr. Das heißt auch, dass ich hier niemanden störe, wenn ich einmal zu einer unorthodoxen Zeit Schlagzeug spiele oder spontan den Grill anwerfe.“ Ursprünglich befand sich in der Wohnung mit dem Ausblick bis zum Rathausturm ein Reisezentrum der Bundesbahn. Der Tipp eines Immobilienmaklers führte dazu, dass Streubel sich die Räumlichkeiten sichern konnte, als sie leer standen. Nun gedeihen dort, wo einst eine öde Gewerbefläche lag, Magnolien, Kirschlorbeer und Bambus. „Die Pflanzen sind genügsam. Ich gieße sie natürlich, aber sie wachsen ganz von allein“, bleibt der Hausherr bescheiden. Er ergänzt: „Ich habe an sich keinen grünen Daumen.“ Ein Händchen für seine Gewächse kann man ihm getrost unterstellen.

Aufgewachsen ist Ben Streubel im Westerwald. „Ich habe schon jedes denkbare Baumhaus gebaut“, blickt er auf seine Kindheit zurück. Die Erinnerungen sind schön. Einmal in Stuttgart angekommen, zog es den Radio-Sprecher aber direkt ins Zentrum des Geschehens. Zwar wohnte er auch im Stuttgarter Süden und in Echterdingen, die Königstraße stand aber von Anfang an ganz oben auf der Wunschliste. „Ich habe damals mit dem Finger auf die Karte der Landeshauptstadt getippt und mir gesagt: Hier will ich wohnen“, skizziert er den Weg zum heutigen Zuhause. Ähnlich entschieden war Streubel, als es um die Berufswahl ging: Er habe in Würzburg Germanistik und Geographie auf Lehramt studiert, berichtet Streubel lachend. Im Grunde seien aber immer nur zwei Jobs in Frage gekommen: Moderator oder Rockstar.

Ein anderer Blick auf die Innenstadt und ihre Besucher

Akkordeonmusik klingt von der Königstraße herauf und vermischt sich mit Brunnenrauschen. Schließt man die Augen kann man sich romantisches Innenstadtflair vorstellen. „Leider beobachte ich eine zunehmende Verrohung des Stadtlebens“, befördert die Stimme der Nachtsendung „Luna“ die Gedanken wieder ins hier und jetzt. „Was sich da unten abspielt ist wirklich nicht schön. Ich beobachte die Veränderungen schon länger und ich habe den Eindruck, dass es über die Jahre in einer Wellenbewegung auf- und abgeht.“ Ben Streubel schaut auf niemanden herunter, behält aber aus dem Augenwinkel im Blick, was sich in der City tut. Das ist für den Beruf anregend, bietet aber auch ein Stück Lebensqualität. „Ich genieße es, hier oben meine Ruhe zu haben“, fasst er die Vorteile seiner Wohnung zusammen. „Ich kann aber in den Aufzug steigen und zum Schlossplatz laufen. Der Bahnhof liegt ebenso vor der Haustür wie Cafés oder Kinos. Das ist alles in allem genau, was mir schon immer vorschwebte.“