Der Aktienkurs des Autobauers Daimler hat sich in nur einem Jahr mehr als verdreifacht. Dafür gibt es gute Gründe. Aber wie geht es weiter?

Frankfurt - Es ist fast auf den Tag genau ein Jahr her, dass die Coronakrise auch die Aktienmärkte in ihren Bann gezogen hat. Die Angst vor einem Absturz der Weltwirtschaft ging um, die Aktienkurse brachen um rund ein Drittel ein, 25 Billionen US-Dollar (21 Billionen Euro) an Börsenwert wurden quasi über Nacht vernichtet.

 

Der Schock währte allerdings nicht lang – schnell erholten sich die Kurse und damit natürlich auch die Werte der Anleger – wenn sie denn nicht vorschnell ausgestiegen sind. Heute klettern sowohl der deutsche Leitindex Dax als auch die New Yorker Wall Street von einem Rekord zum nächsten. Das geht nicht im Gleichschritt, manche Werte erholen sich schneller und besser als andere. Manchmal haben deutsche Aktien die Nase vorn, dann wieder die US-Werte – allen voran Technologie-Riesen wie Apple und Google oder auch der Versandhändler Amazon.

Doch auch die Zuwächse bei deutschen Aktien können sich sehen lassen: Die Deutsche Telekom legte gut 50 Prozent zu, die Deutsche Bank konnte sogar mehr als 100 Prozent gegenüber dem Tief von vor zwölf Monaten wettmachen. Und der Stuttgarter Autobauer Daimler hat trotz Krise nicht nur die Geschäftsergebnisse verbessern können, sondern auch den Aktienkurs von seinem Tiefstand bei etwas mehr als 21 Euro auf inzwischen fast 75 Euro mehr als verdreifacht. Wir legen die Gründe dar, die für die Daimler-Aktie sprechen und beschäftigen uns mit der Frage, ob dieser Höhenflug noch weitergehen wird.

Weltweite Entspannung

Es kam zumindest für große Teile der Wirtschaft doch nicht so schlimm wie anfangs befürchtet. Zwar sorgten die ersten Lockdowns zur Bekämpfung der Coronapandemie auch bei den großen Industriebetrieben wie Daimler für Produktionsausfälle – sie blieben aber auf wenige Wochen begrenzt. Seit Mitte vergangenen Jahres laufen die Fabrikanlagen in weiten Teilen der Welt wieder. Vor allem in China zog die Wirtschaft an – und damit auch die Nachfrage nach Automobilen. Da zudem die anhaltende Niedrigzinsphase mit Strafzinsen für große Anleger die Attraktivität von Aktien hochhielt, kletterten die Kurse weltweit – auch der Kurs von Daimler. Die Automobilbranche zählt insgesamt zu den eher „frühzyklischen“ Werten, das heißt, dass in der Autoindustrie eine Rezession zwar eher zu spüren ist, weil Autokäufe aufgeschoben werden. Auf der anderen Seite werden die Käufe aber auch schnell nachgeholt, wenn die Erholung kommt.

Chinas Erholung

Daimler konnte von der weltweiten Erholung profitieren, vor allem von der deutlich anziehenden Nachfrage in China. Dadurch stand am Ende des Jahres ein um 50 Prozent verbessertes Ergebnis gegenüber dem – enttäuschenden – Jahr 2019. So etwas kommt bei den Aktionären gut an, die zudem auf eine höhere Dividende hofften. Schon 2020 war daher der Daimler-Kurs deutlich gestiegen. Damit konnte Daimler nicht nur mit der guten Entwicklung des Leitindex Dax mithalten, sondern lag auch im Gleichklang mit den anderen Autowerten, und konnte – zumindest im vergangenen Jahr – die Konkurrenz aus München und Wolfsburg sogar an der Börse abhängen. Die Einschätzung der Beobachter der Autoindustrie hat sich in den vergangenen Monaten grundsätzlich geändert, meint etwa Autoexperte Jürgen Pieper von der Privatbank Metzler. Der Umstieg auf die Elektromobilität werde inzwischen von den Investoren anerkannt – bei Volkswagen werde dieser Weg konsequent und mit viel Geld verfolgt. Aber auch bei Daimler habe sich unter Ola Källenius eine klarere Strategie gezeigt, wie man schneller auf alternative Antriebe umsteige. Berücksichtigt man dann noch, dass der Elektropionier Tesla an der Börse mit mehr als 500 Milliarden US-Dollar (425 Milliarden Euro) bewertet wird, stecke auch in den deutschen Autowerten noch viel Potenzial. Daimler wird nach der aktuellen Kursrallye mit gut 75 Milliarden Euro bewertet, Volkswagen bringt es auf 135 Milliarden Euro.

Die Abspaltung

Für eine zusätzliche Turbozündung sorgte Daimler-Chef Källenius dann im Februar dieses Jahres durch die Ankündigung, den Konzern zum Jahresende aufzuspalten: in die Pkw-Sparte Mercedes-Benz und den Lastwagenbauer Daimler Trucks and Busses. Auch so etwas kommt an der Börse gut an, zumal die Abspaltung nicht mit einer Kapitalerhöhung verbunden ist, was der Wert der bisherigen Daimler-Papiere verwässern würde. So aber können die Daimler-Aktionäre darauf hoffen, dass aus eins plus eins in diesem Fall mehr als zwei wird. Analysten wie Frank Schwope von der Norddeutschen Landesbank loben den Schritt: „Was für Traditionalisten ein Schock ist, kann für Aktionäre zum Glücksfall werden“, sagt er. Das Auto- und das Lastwagengeschäft hätten sich schließlich „über die Jahrzehnte immer stärker voneinander entfernt und gegenwärtig so gut wie keine Gemeinsamkeiten“.

Die Aussichten

Die weitere Entwicklung des Daimler-Kurses ist wie immer schwer abzuschätzen. In der aktuellen Bewertung ist etwa nach Einschätzung von Frank Biller von der Landesbank Baden-Württemberg der positive Effekt der geplanten Abspaltung bereits voll verarbeitet – von dort sei also wenig Auftrieb zu erwarten. Auch der Effekt der Nachholkäufe in der wirtschaftlichen Erholung werde sich ab Jahresmitte abschwächen, meint Metzler-Experte Jürgen Pieper. Dennoch sind die meisten Analysten durchaus positiv gestimmt, wenngleich das Potenzial nach oben ihnen begrenzt erscheint. Im Schnitt erwarten Analysten, dass der Daimler-Kurs in zwölf Monaten nur gut fünf Prozent höher liegen wird als heute. Pieper ist optimistischer, geht von einem Kursziel von 83 Euro zum Jahresende aus. „Das muss aber noch nicht das Ende der Fahnenstange sein“, sagt der Analyst. Immerhin hat das Papier auch schon mal mehr als 90 Euro gekostet. Vor allem der Technologiewandel biete langfristig auch bei den Aktienkursen noch Luft nach oben. Daimler könne in den kommenden Monaten auch vom Aufwärtstrend bei Volkswagen profitieren, ein Spekulationsobjekt wird die Aktie der Stuttgarter aber nach Einschätzung von Analysten nicht so schnell werden. Erst nach der Aufspaltung des Konzerns werde sich die Frage der Bewertung neu stellen.