Unter der Führung von Dieter Zetsche reißt Daimler einen Rekord nach dem anderen, nun hat der Aufsichtsrat den Vertrag des Konzernchefs um drei Jahre verlängert.

Stuttgart - Auf der Daimler-Hauptversammlung sorgte Aufsichtsratschef Manfred Bischoff im vorigen April für eine faustdicke Überraschung. Zum Auftakt des Aktionärstreffens kündigte Bischoff in Berlin an, dass der Vertrag von Vorstandschef Dieter Zetsche Anfang 2016 um weitere drei Jahre verlängert werden solle. Dies sei die „absolute Absicht“ des Aufsichtsrats. Bischoff begründete diese ungewöhnlich frühe Ankündigung damit, dass seit einiger Zeit in den Medien über den Vertrag des Daimler-Chefs sowie über mögliche Nachfolger spekuliert werde.

 

Am Dienstag nun hat der Aufsichtsrat seiner Ankündigung Taten folgen lassen. Dieter Zetsches Vertrag wird um drei Jahre bis Ende 2019 verlängert. „Daimler ist erfolgreich wie nie. Das beweist, dass Dieter Zetsche nicht nur in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat die richtige Strategie verfolgt und umgesetzt hat. Er kann außerdem die Mitarbeiter für anspruchsvolle Ziele begeistern“, erklärte Aufsichtsratschef Manfred Bischoff nach der Entscheidung. Mit der Vertragsverlängerung werde die notwendige Kontinuität an der Unternehmensspitze für den nachhaltigen Erfolg gesichert.

Källenius beerbt Weber

Zugleich hat das Kontrollgremium entschieden, dass Mercedes-Vertriebschef Ola Källenius zum Jahreswechsel die Aufgaben von Forschungs- und Entwicklungsvorstand Thomas Weber übernehmen wird. Webers Vertrag läuft Ende Dezember aus. Er scheidet nach Angaben des Unternehmens in gegenseitigem Einvernehmen und auf eigenen Wunsch aus. Danach soll er weiter als Berater des Unternehmens aktiv sein. Der in Scharnhausen auf den Fildern geborene, bodenständige Manager ist bei Daimler vom Lehrling zum Vorstand aufgestiegen. Seit Mai 2004 leitet er die Konzernforschung und den Entwicklungsbereich der Autosparte. Ganz leicht dürfte Weber der Abschied indes wohl nicht fallen. Erst kürzlich erklärte er in einem Interview, dass die Arbeit derzeit so interessant wie noch nie sei.

Mit der Neubesetzung des Forschungs- und Entwicklungsressorts werden die Weichen für einen Generationswechsel im Führungsgremium gestellt, denn Weber feiert demnächst seinen 62. Geburtstag, während Källenius erst 46 und damit mit Abstand der jüngste Vorstand ist. Fünf der acht Vorstandsmitglieder von Daimler sind Mitte bis Ende 50.

Nachfolge von Zetsche dürfte geklärt sein

Mit dieser Entscheidung dürfte Källenius die besten Chancen haben, Nachfolger von Dieter Zetsche zu werden, wenn er auch in den kommenden Jahren wie bisher einen guten Job macht. Nach den guten Leistungen im Vertrieb muss er nun beweisen, dass er auch ein Händchen für die Technik hat, obwohl er kein Ingenieur ist. Aufsichtsratschef Bischoff hat daran keine Zweifel. „Mit seiner wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung und seinen zahlreichen technischen Stationen innerhalb des Konzerns hat Ola Källenius die Expertise, Daimlers Position als Technologieführer zu festigen und weiter auszubauen“, erklärte der Aufsichtsratschef.

Die Entscheidung der Daimler-Kontrolleure dürfte insbesondere für den 55-jährigen Wolfgang Bernhard bitter sein, der seit der gemeinsamen Zeit bei Chrysler, wo beide im Auftrag der Stuttgarter die Krise eindämmen sollten, als enger Vertrauter von Zetsche gilt. Lange galt Bernhard als Kronprinz, doch wenn Zetsche bis 2019 an der Spitze bleibt, ist der heutige Chef der Truck-Sparte eigentlich zu alt für die Übernahme der Konzernführung. Die Autoindustrie ist von langen Modellzyklen geprägt, und wer etwas bewegen will, braucht Zeit. Vorbild in der Branche ist der letzte Führungswechsel bei BMW. Dort hat Vorstandschef Norbert Reithofer seinen Posten mit der Hauptversammlung im Mai 2015 vorzeitig an den damals noch 49-jährigen bisherigen Produktionschef Harald Krüger abgegeben und wechselte an die Aufsichtsratsspitze.

Große Genugtuung für Zetsche

Für den Daimler-Chef dürfte die Verlängerung seines Vertrags eine große Genugtuung sein. Dieter Zetsche steht seit zehn Jahren an der Spitze von Daimler. Der 62-Jährige ist bereits heute der dienstälteste Autoboss in Deutschland. Vor einigen Jahren schien ihn das Glück noch verlassen zu haben. Im Herbst 2012 schockierte Daimler die Börsianer. Der Gewinn von Mercedes fiel schlechter aus als erwartet. Kurz darauf gab es auch noch Ärger mit dem Betriebsrat. Die Arbeitnehmer kritisierten seinen Führungsstil und dass er nicht mit ihnen über ein geplantes Sparprogramm diskutiere. Sie drohten damit, im Aufsichtsrat gegen eine Verlängerung seines Vertrags zu stimmen. Schließlich wurde der Vertrag nicht um fünf Jahre wie geplant, sondern nur um drei Jahre verlängert – ein Warnschuss.

Doch heute ist Zetsche wieder obenauf und schwimmt auf einer Erfolgswelle. Die Autosparte fährt von Rekord zu Rekord, Mercedes könnte bereits in diesem Jahr die Rivalen Audi und BMW überholen und zum weltweit absatzstärksten Premiumhersteller aufsteigen – viel früher als geplant. Die Mitarbeiter erhalten eine Rekordprämie, die Aktionäre eine höhere Dividende, und auch die Aussichten für 2016 sind gut. Vor allem die ertragsstarke E-Klasse, deren neue Generation im Januar vorgestellt wurde, dürfte einen kräftigen Schub bringen.

Konzern-Betriebsratschef Michael Brecht, der auch Vizechef des Aufsichtsrats ist, hat schon auf der Hauptversammlung im vorigen Jahr angekündigt, dass die Arbeitnehmerbank die Vertragsverlängerung unterstütze. „Wir sehen das Unternehmen auf einem guten Weg. Die Wachstumsstrategie geht auf“, sagte Brecht. Damit Daimler auf diesem Weg bleibe, so der Betriebsratschef im Gleichklang mit Aufsichtsratschef Bischoff, „braucht das Unternehmen Kontinuität an der Spitze“.