Die Aktionäre billigen auf einer außerordentlichen Hauptversammlung fast einstimmig die Abtrennung des Lkw- und Busgeschäfts von dem Konzern. Daimler-Chef Ola Källenius verspricht insgesamt erhöhte Unternehmenswerte.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Mit viel Pathos, aber auch in einer coronabedingt nüchternen Atmosphäre des virtuellen Raums hat Daimler einen historischen Schritt seiner 140-jährigen Geschichte vollzogen: Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung, die nur für einen kleinen Führungskreis in Präsenz stattfand und von rund 3000 Zuschauern im Netz verfolgt wurde, segneten die Aktionäre die bis Ende des Jahres geplanten Abspaltung des Nutzfahrzeuggeschäfts und den Börsengang der Daimler Truck Holding AG einhellig ab.

 

Die Zustimmung von 99,9 Prozent des vertretenen Grundkapitals (56,45 Prozent) ist Höhepunkt des Projekts Fokus. Daimler will 65 Prozent der Truck-Papiere an die eigenen Aktionäre verteilen und einen Minderheitsanteil von 35 Prozent halten. Man geht davon aus, dass die Truck AG noch im ersten Quartal 2022 in den Dax-Index aufgenommen wird. Um auch die Fokussierung der Pkw-Sparte deutlich zu machen, soll die Daimler AG zum 1. Februar 2022 in Mercedes-Benz Group AG umbenannt werden.

„Trucks und Pkw sind zwei völlig unterschiedliche Geschäfte“

„Dieser Stern leuchtet künftig zweimal“, betonte Vorstandschef Ola Källenius feierlich. „Der Mut, neue Wege zu gehen, zeichnet das Unternehmen aus – wir treiben den Wandel.“ Offensiv begegnete er Zweifeln an der Aufspaltung: „Andere Kunden, anderes Geschäftsmodell, andere Rahmenbedingungen: Trucks und Pkw sind zwei völlig unterschiedliche Geschäfte.“ Auch technologisch gebe es große Unterschiede. Bei Pkw steht die Batterie im Mittelpunkt – bei Trucks spiele auch die Brennstoffzelle eine wichtige Rolle. Nun könne man sich stärker auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse und Herausforderungen der Transformation konzentrieren. „Wir gewinnen an Tempo, Flexibilität und Innovationskraft.“ Zudem gebe es klare Entscheidungsstrukturen – und den Investoren werde ein klares Profil geboten. Kurzum: „Wir steigern den Unternehmenswert.“

Daimler-Finanzchef Harald Wilhelm brachte dieses zentrale Anliegen auf den Punkt: Die separate Bewertung des Pkw- und Lkw-Geschäfts an der Börse „bedeutet idealerweise eine höhere Bewertung“.

Umsatzrendite von mehr als zehn Prozent angepeilt

Der Vorstandschef der Truck AG, Martin Daum, konkretisierte die „ehrgeizigen Renditeziele“ bis 2025. Weil es ein zyklisches Geschäft sei, gebe es unterschiedliche Szenarien: Bei ungünstigen Marktbedingungen wie im vorigen Jahr solle noch eine Umsatzrendite von sechs bis sieben Prozent erreicht werden. Im normalen Marktumfeld würden acht bis neun Prozent angepeilt. „Und in einem starken Marktumfeld – unserem sonnigen Szenario – streben wir eine Umsatzrendite von mehr als zehn Prozent an.“

Schon in diesem Jahr sei man bei der Verbesserung der Ertragskraft gut vorangekommen – mit einer bereinigten Umsatzrendite von 8,3 Prozent im zweiten Quartal. Aktuell belastet der Engpass bei Computerchips aber auch Daimler Truck. „Eine erhebliche Zahl an Fahrzeugen können wir derzeit nicht fertigstellen und auch nicht ausliefern.“

„Wir bauen ein komplettes E-Portfolio auf“

Den im Pkw-Bereich eingeschlagenen Weg zur Emissionsfreiheit soll auch die Truck AG verfolgen: „Schon 2030 könnten batterie- und brennstoffzellengetriebene Lkw und Busse bis zu 60 Prozent unseres Absatzes ausmachen“, sagte Daum. „Ab 2039 wollen wir in Nordamerika, Europa und Japan ausschließlich Fahrzeuge anbieten, die im Fahrbetrieb CO2-neutral sind – das heißt: Wir bauen ein komplettes E-Portfolio auf.“ Um das Geld für die Zukunftstechnologien „freizuspielen“, würden die Investitionen für den konventionellen Verbrennungsmotor in den nächsten Jahren deutlich heruntergefahren. Das ist nicht unbedingt eine gute Nachrichten für die weltweit gut 100 000 Mitarbeiter der Nutzfahrzeugsparte. „Zunächst“ sollen die Arbeitsverhältnisse in der Truck AG von der Trennung unberührt bleiben. Bis zum 20. September war den Beschäftigten der Nutzfahrzeugsparte eine Widerspruchsfrist eingeräumt worden – dabei hätte ein „verschwindend geringer Anteil“ der Vertragsänderung widersprochen. Eine erhöhte Fluktuation sei nicht erkennbar.

Daum hält „harte Entscheidungen“ für möglich

Vorausblickend zeigte Daum schon mal die Bereitschaft zu „harten Entscheidungen“, um die Zielmarken zu erreichen. Klar ist, dass die Fixkosten bis 2025 um 15 Prozent gegenüber 2019 gesenkt werden sollen. Die Personalkosten sollen bis 2022 um 300 Millionen Euro reduziert werden, kündigte der Vorstandschef an, der künftig eine Fixvergütung von 1,3 Millionen Euro pro Jahr erhalten wird.

Gut drei Stunden lang beantworteten die Führungskräfte rund 140 vorab eingereichte Fragen von 38 Aktionären. Dabei wurde deutlich, dass die Beschäftigten der Truck AG unveränderte Konditionen für Jahreswagen erhalten werden. Ähnliches gilt für die Ergebnisbeteiligung und das Belegschafts-Aktienprogramm – intern heiße Eisen.

Als einmalige Teilungskosten wurde – unabhängig von 400 Millionen Euro an steuerlichen Belastungen, die durch Entlastungen aufgefangen werden sollen – ein Betrag von 330 Millionen Euro genannt, wobei 100 Millionen für die IT verplant sind. Zur Einbindung von Kanzleien, Banken, Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften wurde ein Budget von 100 Millionen Euro (20 Millionen allein für Kanzleien) genannt.

330 Millionen Euro für die Abtrennung

Geführt wird die Truck AG vom neuen Campus neben der A 8 in Leinfelden, wo 2000 Mitarbeiter angesiedelt werden.

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