Der erste e-Actros läuft in Daimlers Lkw-Stammwerk in Wörth vom Band. Auch im Zeitalter der Elektromobilität setzt der Konzern auf „made in Germany“.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Wörth - Fahrer schwerer Lastwagen dürfen sich auf Fahrspaß freuen: Der e-Actros, der erste serienmäßig produzierte E-Lkw von Daimler, legt eine gleichmäßig kräftige Beschleunigung hin, wie man sie von einem Elektroauto kennt. Außerdem ist er im Flüsterton unterwegs. In der Fahrerkabine ist es so still, dass man ein klassisches Konzert hören kann. Auch die Vibrationen, die der große Dieselmotor verursacht hat, sind beim Elektroantrieb Geschichte.

 

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In Wörth, dem Stammwerk von Daimler Truck, ist jetzt der erste batterieelektrisch angetriebene Lkw mit dem Stern aus der Serienproduktion vom Band gelaufen. Damit wird ein neues Kapitel in dem größten Lkw-Werk Europas aufgeschlagen. In Wörth, wo seit 1963 Lastwagen gebaut werden und derzeit 10 000 Mitarbeiter beschäftigt sind, wird jetzt in schneller Taktfolge die Produktion weiterer vollelektrischer Lastwagenmodelle starten. Die Produktionshalle in Gebäude 75 wird Herzstück für die alternativen Antriebe. Dass die Fertigung von Lastwagen, die kein klimaschädliches CO2 mehr ausstoßen, in Wörth angesiedelt wird, ist ein großer Erfolg für den Standort. Dafür hatten Unternehmensleitung und Betriebsrat Mitte Juli ein Zukunftspaket geschnürt.

Der Wandel wird gemeinsam gestaltet

Daimler-Truck-Vorständin Karin Radström, zuständig für die Marke Mercedes-Benz, sagte zum Anlaufen der E-Serie: „Der Start der Serienproduktion des e-Actros ist ein handfester Beweis dafür, dass wir es ernst meinen mit dem emissionsfreien Transport.“ In den letzten Monaten wurden bereits 2500 Daimler-Mitarbeiter geschult, um mit Hochvoltfahrzeugen am Band umzugehen. Der Betriebsratschef des Wörther Werks, Thomas Zwick, ist zufrieden: „Dies ist ein historischer Moment für unseren Standort, aber auch für die Region. Von unserem Werk in der Südpfalz wird die Zukunft des Transports ausgehen.“ Das Werk sei im Wandel, und den Wandel gestalte man zusammen.

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Der Umstieg auf alternative Antriebe beim Lastwagen läuft später an als beim Pkw. Noch fahren fast alle Lastwagen mit Diesel. Doch die EU hat bereits Grenzen gesetzt. Bis 2025 soll der Ausstoß von CO2 von Nutzfahrzeugen um 15 Prozent sinken, bis 2030 sogar um 30 Prozent. Wie bei Pkw beziehen sich diese Werte auf die Flotte der Neufahrzeuge von den jeweiligen Herstellern. Da bei Lastern der Kraftstoffverbrauch massiv von der Ladung und den Aufbauten beeinflusst wird, ist die Messung deutlich komplizierter als beim Auto. Derzeit werden die Referenzwerte ermittelt.

Dreimal so teuer wie ein konventioneller Laster

Nach Schätzungen kann der Dieselmotor bis 2030 noch fünf bis acht Prozent sparsamer werden. Das bedeutet: Wie bei Pkw schaffen die Hersteller die EU-Anforderungen nur, wenn sie Nullemissionsfahrzeuge in den Markt bringen. Daimler will bis 2039 alle neuen Trucks emissionsfrei stellen. Die wirtschaftlichen und technischen Herausforderungen beim Lkw sind aber noch größer als beim Pkw: Die Batterien, die etwa die Energie für den 17 bis 19 Tonnen schweren e-Actros liefern und eine Reichweite von bis zu 400 Kilometern ermöglichen, sowie der elektrische Antriebsstrang sind sehr teuer. Der e-Actros kostet etwa dreimal so viel wie ein konventioneller Laster seiner Größe.

Der e-Actros ist der Schwerlaster für den Regionalverkehr, etwa für den Verteilverkehr von Supermarkt zu Supermarkt, unterwegs in der Stadt, über Land, auch auf der Autobahn. Die Kapazität für die Reichweiten liefern drei oder vier Batteriepakete von jeweils rund 105 Kilowattstunden. Der Antriebsstrang besteht aus einer elektrischen Starrachse mit zwei E-Motoren mit Zweiganggetriebe. Dauerhaft liefert das Kraftpaket 330 Kilowatt oder 442 PS. Als Spitzenleistung sind sogar 536 PS drin. Es dauert etwas mehr als eine Stunde, um die drei Batteriepakete an einer gängigen 400-A-Ladesäule von 20 wieder auf 80 Prozent Kapazität zu bringen.

Start einer E-Modelloffensive

Wie alle E-Fahrzeuge ist der e-Actros eigentlich fast lautlos unterwegs. Aus Sicherheitsgründen schaffen aber zwei Lautsprecher eine Geräuschkulisse: Bei der Vorwärtsfahrt simulieren sie Töne wie von einem Lüfter, im Rückwärtsgang ertönen zwei Töne abwechselnd. e-Actros und Diesel-Lkw werden zunächst auf der gleichen Montagelinie gefertigt. Die Basis ist also vergleichbar, danach geht es für den e-Actros in das Future Truck Center, wo die Elektrifizierung erfolgt.

Der e-Actros markiert den Start für eine E-Modelloffensive. Nächstes Jahr kommt der Niederflurlaster e-Econic, der besonders interessant für Kommunen ist. Für Müllfahrzeuge, die viel im Stop-und-go-Verkehr unterwegs sind und vergleichsweise wenige Kilometer am Tag zurücklegen, ist der batterieelektrische Antrieb gut geeignet. 2024 soll der erste E-Schwerlaster mit einem Gesamtgewicht von rund 40 Tonnen kommen.

2027 soll der Daimler-Truck mit Brennstoffzelle kommen

Für die Fernstrecke, also Distanzen jenseits von 500 Kilometern, setzt Daimler auf die Brennstoffzelle, die elektrische Energie aus Wasserstoff gewinnt. 2027 soll der erste Daimler-Truck mit Brennstoffzelle verfügbar sein. Zusammen mit Volvo hat Daimler zudem ein Joint Venture gegründet, um eine Gigafabrik für Brennstoffzellen-Aggregate zu bauen. Die Produktion soll 2025 losgehen. Auch um die Infrastruktur kümmert sich der Konzern. Mit Traton und Volvo will man ein Netz von Schnellladesäulen entlang der Transitrouten aufbauen. Auch bei der Brennstoffzelle arbeitet Daimler an der Infrastruktur: Bei Wasserstofftankstellen entlang den Autobahnen kooperiert der Konzern mit Shell.