Künftig soll es keine einmalige, jährliche Zielvereinbarung mehr geben, die Rede ist von fortlaufenden Zielen. Was heißt das für die Mitarbeiter? Wird sich auch die erfolgsabhängige Vergütung ändern?
Dazu gibt es Überlegungen. Wir wollen künftig von der individuellen Komponente beim Bonus wegkommen, der Bonus soll sich künftig noch stärker am Unternehmenserfolg orientieren. Dazu führen wir gerade eine Umfrage unter den Führungskräften durch, zu wie viel Prozent der Bonus vom Gesamtergebnis und vom Ergebnis des Geschäftsbereichs abhängen soll. Wir wollen einfach nicht mehr die oft langen Diskussionen führen, ob jemand nun 100, 110 oder 115 Prozent der Zielvorgabe erreicht hat. Wenn das Unternehmen keinen Erfolg hat, dann nützt uns die Diskussion über die persönliche Zielerreichung auch nichts. Unser Ziel ist es, die Feedback-Kultur zu stärken. Wir wollen hinterfragen, wie jemand seine Ziele erreicht, und die Kooperation der Führungskräfte fördern.
Um welchen Gehaltsanteil geht es beim individuellen Bonus?
Die variablen Vergütungsanteile variieren je nach Führungsebene.
Und wie sieht es beim Vorstand aus?
Die Vergütung des Vorstands wird vom Aufsichtsrat festgelegt und jährlich überprüft.
Daimler hat die großen Themen der Zukunft unter dem Begriff „Case“ zusammengefasst, der für die vier Säulen Connected, Autonomous, Shared and Service und Electric Drive (Vernetzung, autonomes Fahren, flexible Nutzung und Elektroantrieb) steht. Dafür soll eine eigene Gesellschaft gegründet werden. Im Unternehmen gibt es Spekulationen, dass diese neue Tochtergesellschaft künftig bis zu 20 000 Mitarbeiter aufnehmen soll. Was ist da dran?
Tochtergesellschaften werden auch deshalb gegründet, um bestimmte Sachverhalte abzugrenzen. Bei Case handelt es sich für uns um so einen neuen Sachverhalt, den wir vom traditionellen Geschäft abgrenzen. Schauen Sie sich Unternehmen wie Alphabet mit Google oder Tesla an, die haben dafür komplett eigene Einheiten, die unabhängig agieren. Es geht nicht darum, dass Mitarbeiter, die heute bei Daimler beschäftigt sind, in diesen Bereich versetzt werden. Dazu gibt es keine Überlegungen. Die Mitarbeiter bleiben da beschäftigt, wo sie jetzt sind, auch wenn sie an Case-Projekten mitwirken.
Verstehen Sie, dass sich Mitarbeiter Sorgen machen?
Dazu gibt es keinen Anlass. Es besteht doch vielmehr Grund zum Optimismus. Wir haben die Zukunftsthemen früh erkannt, und wir haben klar dokumentiert, dass wir dafür viel Geld investieren und in der Industrie ganz vorne mit dabei sein wollen.
Wird es im Daimler-Konzern künftig eine alte und eine neue Organisation geben, also zwei Organisationen, die parallel nebeneinander bestehen ?
Es geht nicht um alt und neu. Ich tue mir schwer damit, die etablierte Organisation, also unseren Automobilbau, als alt zu bezeichnen. Es ist doch klar, dass wir die nächste S-Klasse nicht in einem „Wir probieren mal“-Modus entwickeln werden. Aber wenn wir in ein komplett neues Feld gehen, wenn wir etwas ausprobieren wollen, dann brauchen wir eine andere Organisationsform, andere Entscheidungswege und andere Kompetenzen. Ein Beispiel aus der Vergangenheit dafür ist Car2go. Gegenwärtig haben wir etwa 40 Pilotprojekte, in denen wir mit Schwarmorganisationen arbeiten. Dazu gehörten auch Teile von Case. Leadership 2020 wurde nach diesem Prinzip gestaltet.
Und sonst?
Weitere Beispiele sind eine Ideenfabrik zur Digitalisierung im Werk Bremen, das sogenannte Digital Factory Lab. Daraus entstand beispielsweise schon eine App, die mehrere IT-Systeme zur Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung unter einer Bedienoberfläche bündelt. In Brasilien arbeitet eine Schwarmorganisation, in der 40 Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichsten Bereichen Produkte für Firmenflottenkunden entwickeln.
Wie wirken sich die Veränderungen auf die Beschäftigung aus?
Es gibt keinen einzigen Bereich im Unternehmen, der bei dem Thema Digitalisierung außen vor ist. Natürlich werden sich Arbeitsplätze verändern, einige werden auch wegfallen, andere werden neu entstehen. Insgesamt sind wir bei der Beschäftigung auf einem stabilen Niveau, und ich gehe davon aus, dass das in den nächsten Jahren auch so sein wird. Der Umbruch wird kommen, aber nicht auf Knopfdruck, sondern so, dass die Beschäftigten mitkommen können. Nehmen Sie das Beispiel Hybridantrieb. Wir haben Tausende von Mitarbeitern geschult, zum Beispiel in der Produktion, wo es darum geht, mit Hochvolttechnik umzugehen. Das haben wir nicht nur hier in Deutschland gemacht, sondern beispielsweise auch in unserem Werk in Südafrika und in China.
Werden Führungskräfte künftig stärker zeitlich befristete Jobs übernehmen, wenn die Organisation mehr Schnelligkeit und Flexibilität verlangt?
Eine Idee der Teams im Rahmen von Leadership 2020 war, eine stärkere Rotation von Führungskräften hinzubekommen. Das bedeutet, dass wir nach drei bis fünf Jahren auf die Stellenbesetzung schauen. Zudem animieren wir die Mitarbeiter, sich unabhängig von einer konkreten offenen Stelle mit der Frage zu beschäftigen, ob sie künftig gerne etwas anderes machen wollen. Es gibt ein klares Unternehmensinteresse, dass Führungskräfte wechseln, und es gibt die individuellen Wünsche der Mitarbeiter. Jeder leitende Mitarbeiter kann in die Datenbank eintragen, dass er mal gerne eine bestimmte Aufgabe übernehmen würde. Wird diese Stelle frei, dann ist der Betreffende automatisch im Bewerbungsprozess dabei.
Es handelt sich also nicht um zeitlich befristete Aufgaben.
Nein, es werden keine Stellen befristet auf fünf Jahre vergeben. Es geht um eine regelmäßige Überprüfung, die nach drei Jahren einsetzt. Beide Seiten sollen sich fragen, ob es noch zwei Jahre weitergeht und was gegebenenfalls danach kommt. Nach fünf Jahren wollen wir dann – abgesehen von Spezialistentätigkeiten –, dass eine Veränderung stattfindet. Von Januar an werden zudem grundsätzlich alle Führungspositionen weltweit ausgeschrieben. Ausnahmen gibt es nur, wenn zum Beispiel jemand aus dem Ausland zurückgeholt wird.