Der Betriebsratschef des Daimler-Stammwerks, Wolfgang Nieke, geht im Januar in den Ruhestand – nach 44 Jahren beim Autobauer. Auf seinen Nachfolger Michael Häberle kommen mit der Umstellung auf alternative Antriebe große Herausforderungen zu.

Stuttgart - Seit 44 Jahren arbeitet Wolfgang Nieke bei Daimler, 25 Jahre davon hat er die Interessen seiner Kollegen am Standort Untertürkheim vertreten, seit 2010 als Betriebsratschef. Nun geht er in die passive Phase der Altersteilzeit oder – wie Nieke witzelt – in den „verlängerten Weihnachtsurlaub“. Die Herausforderungen, mit denen der gebürtige Stuttgarter, Jahrgang 1956, zuletzt schwer beschäftigt war, treiben nun Michael Häberle um. Ab Januar 2019 übernimmt der bisherige Stellvertreter Niekes den Vorsitz im Betriebsrat. Häberle ist 49, gebürtiger Cannstatter und – wie Nieke – ein Urgewächs beim Autobauer. Beide absolvierten schon ihre Ausbildung bei Daimler.

 

Was damals noch nicht abzusehen war, rückt nun zusehends in den Fokus des Betriebsrats: Der technologische Wandel vom Verbrennungsmotor zu batterieelektrischen Antrieben. Damit sei die grundlegende Frage verbunden, wie sich der Betrieb umstellen muss, ohne dass sich dabei die Bedingungen für die Mitarbeiter verschlechtern, erklärt Häberle. „Der Betriebsrat unterstützt technologischen Fortschritt, wenn dieser nicht nur ein Fortschritt für Profit und Produkt bedeutet, sondern ein Fortschritt für die Rahmenbedingungen der Arbeitnehmer“, sagt Häberle. Mit dem elektrischen Antriebsstrang soll künftig eine elementare Komponente für die Elektromobilität in Untertürkheim entwickelt werden. Dafür gebe es jedoch noch keine Produktionszusage, erläutert Häberle. Zunächst müsse mit der Konzernführung geklärt werden, ob die Herstellung am Standort „wirtschaftlich darstellbar“ ist – wovon die Untertürkheimer selbstverständlich überzeugt seien. Die Entscheidung soll im kommenden Jahr fallen. Dann muss auch grundsätzlich geklärt werden, ob Daimler künftig seine Elektroantriebe selbst fertigt. Bislang geschieht das in einem Gemeinschaftsunternehmen mit dem Zulieferer Bosch. Der entsprechende Vertrag laufe aber 2019 aus.

2025 sollen 25 Prozent der verkauften Autos elektrisch sein

In den Werkteilen Brühl und Hedelfingen werde zudem eine flexible Batterieproduktion aufgebaut, betont Nieke. Dort sollen, erläutert der scheidende Betriebsratschef, perspektivisch bis zu 200 000 Batterien jährlich für künftige E-Autos der neuen EQ-Modelle aus Sindelfingen montiert werden können – ursprünglich sei nur ein Viertel dieser Kapazität geplant gewesen. Die kleineren Batterien für den Elektro-Smart oder die B-Klasse werden indes weiterhin aus dem Werk im sächsischen Kamenz kommen.

In Untertürkheim gelte es nun, die Beschäftigten „in der Benziner- und Dieselproduktion für die neuen, alternativen Antriebe zu qualifizieren“, sagt Häberle. Die Belegschaft müsse frühzeitig in Veränderungsprozesse miteinbezogen werden, fordert der Maschinenbautechniker und Betriebswirt.

Dass die regenerativen Technologien tatsächlich tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen, verdeutlicht eine Prognose des Autobauers: So sollen im Jahr 2025 laut Nieke 25 Prozent der verkauften Autos elektrisch sein und 75 Prozent nach wie vor einen Verbrennungsmotor besitzen.

Von den insgesamt rund 10 000 Beschäftigten im Daimler-Stammwerk, die in der Produktion arbeiten, würden jedoch nur bis zu 800 für die E-Antriebe benötigt. Angesichts derartiger Prognosen verweisen der alte und der neue Betriebsratschef jedoch darauf, dass sie unlängst eine Beschäftigungsgarantie bis zum Jahr 2030 für ihre Kollegen ausgehandelt haben.

Eine Konkurrenz dürfe zwischen den Daimler-Werken nicht entstehen

Neben den reinen Elektrofahrzeugen sollen perspektivisch auch Brennstoffzellenautos am Neckar entwickelt werden. Das betont der künftige Stellvertreter Häberles, Roland Schäfer, Jahrgang 1963. Die Voraussetzungen für eine Montage sei auf dem Werksgelände geschaffen, der Aufbau erfolge, wenn die entsprechenden Stückzahlen benötigt würden. Allerdings tue die Konzernspitze zu wenig dafür, kritisiert das neue Führungsduo. Der Vorstand werbe nicht für den alternativen Antrieb mit Wasserstoff, daher könne es auch nicht zu einer Nachfrage nach Brennstoffzellenautos kommen. Das wichtigste sei allerdings, darin sind sich die drei Arbeitnehmervertreter einig, dass sämtliche Zukunftstechnologien in Untertürkheim vertreten seien, um den Standort auch nach 2030 in der jetzigen Form zu sichern – und zwar ohne anderen Daimler-Werken die Produktion und damit die Grundlage zu entziehen.

Eine Konkurrenz dürfe zwischen den Daimler-Werken nicht entstehen. Dass im thüringischen Kölleda die Lohnkosten nur halb so hoch seien wie in Untertürkheim, sei alarmierend, sagt Nieke. Ein wichtiger Erfolg sei dagegen, dass Anfang des Jahres 400 Mitarbeiter der Batterieentwicklung Deutsche Accumotive GmbH in Nabern in die Daimler AG integriert werden konnten.