China ist heute der weltweit wichtigste Markt für die S-Klasse. Ist die Fertigung der S-Klasse in der Volksrepublik ein Tabu?
Es gibt keine Pläne, die S-Klasse in China zu produzieren.
Wie viele der in China verkauften Autos werden dort auch produziert, und wie wird sich dies ändern, wenn auch der GLA in Peking vom Band läuft?
Derzeit werden etwa 55 Prozent der hier verkauften Fahrzeuge in Peking hergestellt. Im nächsten Jahr dürfte dieser Anteil auf mindestens zwei Drittel steigen. Bei diesem Wert dürfte es auch in den folgenden Jahren bleiben.
Daimler hat sich im vorigen Jahr für mehr als eine halbe Milliarde Euro mit zwölf Prozent am chinesischen Partner BAIC Motor beteiligt, zu dem unter anderem das gemeinsam betriebene Mercedes-Werk in Peking gehört. Eine Beteiligung in dieser Größenordnung sichert keine großen Mitspracherechte. Was bringt sie dann?
Unser Interesse ist, unseren Partner auf dem Weg zu einem starken chinesischen Autohersteller zu unterstützen. Zudem sitzen Daimler-Finanzvorstand Bodo Uebber und ich im Aufsichtsrat von BAIC Motor. Dies ermöglicht ein noch tieferes Verständnis der Entwicklungen auf dem größten Automarkt der Welt und gibt einen Einblick in die Trends und die Ausrichtung der chinesischen Autoindustrie. Daneben gehen wir davon aus, dass sich das Investment auch finanziell lohnen wird.
Vor einigen Monaten haben behördliche Preiswächter wegen des Verdachts auf Kartellverstöße die Büros von Mercedes-Händlern durchsucht. Wie brisant ist das?
Es gibt in der Tat Untersuchungen bei verschiedenen Herstellern. Wir sind Teil dieser Untersuchungen und unterstützen die Behörden. Wir kommentieren sie nicht, solange sie nicht abgeschlossen sind.
Im Umfeld dieser Ermittlungen hat Mercedes Preise für Ersatzteile und Service um bis zu 20 Prozent gesenkt. War also etwas dran an dem Vorwurf überhöhter Preise?
In China gibt es einen harten Wettbewerb. Die Preissenkungen waren aus unserer Sicht Teil ganz normaler Marktaktionen.
Es gab den Verdacht, dass Händlern Mindestpreise vorgeschrieben wurden.
Der Händler entscheidet, zu welchem Preis er verkauft.
Vor vier Jahren hat Daimler ein Gemeinschaftsunternehmen zur Entwicklung und Fertigung von Elektroautos mit dem Batteriehersteller BYD geschlossen, der erst seit Kurzem Fahrzeuge baut. Funktioniert diese Allianz zweier so unterschiedlicher Partner?
In der Tat ist dies ein völlig neuer mutiger Ansatz. Wir sind der einzige westliche Hersteller, der diesen Weg im Bereich der Elektromobilität in China gegangen ist: Wir entwickeln mit einem lokalen Partner ein Auto, das von Beginn an für den chinesischen Markt konzipiert ist. BYD hat sehr viel lokales Knowhow und bringt seine Kompetenz bei der Batterietechnologie ein, wir stellen ein Team sehr erfahrener Mercedes-Ingenieure und bringen unsere Erfahrung im Bereich der Qualität sowie Zuverlässigkeit und der Sicherheitskriterien ein. Diese Zusammenarbeit funktioniert sehr gut. Die ersten Elektroautos der Marke Denza werden jetzt ausgeliefert. Im chinesischen Umfeld ist Denza das beste Angebot, und es wird auch das erfolgreichste Elektroauto sein.
Wie wird sich die Elektromobilität in China entwickeln? In Deutschland gibt es ja immer wieder Zweifel, ob die von der Bundesregierung angepeilten Ziele erreicht werden.
China hat ganz klar das Potenzial und den absoluten Willen, der größte Markt für alternative Antriebe zu werden. Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist es die schiere Größe des Automarkts. Zudem wohnen extrem viele Menschen in Städten, wo Elektroautos oder Wagen mit Plug-in-Hybridantrieb ihre Stärken ausspielen können. Und drittens fördert die Regierung diese Technologie mit guten und konkreten Maßnahmen. Noch gibt es zwar zu wenige Ladestationen. Ich habe jedoch keine Zweifel, dass die Infrastruktur konsequent ausgebaut wird, wenn nach und nach attraktive Produkte wie der Denza auf den Markt kommen.