Die Darts-WM lockt in Deutschland immer mehr Zuschauer vor den Fernseher. Die Veranstalter hoffen nun auf einen nationalen Star: Max Hopp soll der Boris Becker der Pfeile werden. Am Mittwoch will er als erster Deutscher das Achtelfinale erreichen.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Vor Jahren ist man als Deutscher bei der Darts-WM im Alexandra Palace in London noch ein Exot gewesen. Mit dem Satz „I’m from Germany“ war man ein kleiner Star. Heute kann es einem passieren, dass man Karten für den britischen Sport-Karneval im „Ally Pally“ kauft und neben einem dann eine Gruppe aus Oberbayern in bayerischen Trachten sitzt.

 

Man spricht deutsch. Zumindest auch.

Das deutsche Element im Zuschauerraum wird von Jahr zu Jahr größer, um die 7500 Fans, hat der Verband PDC errechnet, werden dieses Jahr aus „good, old Germany“ zur WM kommen (leider hat manch einer so unpassende Fußball-Gesänge wie „Ohne Holland fahr’n wir zur WM“ mitgebracht). Nur auf der Bühne schlägt sich das nicht so recht nieder: Wenn es bei der WM zur Sache geht, sitzen die deutschen Spieler meist wieder zu Hause auf dem Sofa und schauen Sport 1. Noch nie hat ein Deutscher das WM-Achtelfinale erreicht. Und da kommt jetzt Max Hopp ins Spiel. Der Bursche ist erst 20 Jahre alt, aber spielt schon zum fünften Mal bei der WM mit, 2015 war das Talent Junioren-Weltmeister. Und wenn es im deutschen Darts einmal hü statt hott geht, dann hü dank Hopp.

Am Mittwoch (14 Uhr/Sport 1) trifft er in der zweiten Runde auf den Belgier Kim Huybrechts. Hopp ist Außenseiter, aber nach seinem starken Auftritt in Runde eins trauen ihm die Experten durchaus etwas zu, wenn es optimal läuft.

Der Traum von einem Boris Becker mit Pfeilen

Das ist der große Traum des PDC-Chefs Barry Hearn. Der umtriebige Promoter hat Darts zum Multi-Millionen-Pfund-Event und Premiumprodukt geformt und treibt die Expansion voran. Deutschland als wichtigster europäischer Markt spielt dabei eine Schlüsselrolle.

Schon jetzt funktioniert Darts in Deutschland, obwohl es keinen nationalen Publikumsmagneten gibt. In der Spitze zwei Millionen Zuschauer sahen im Januar das WM-Finale, beim Erfolg von Max Hopp in Runde eins waren es bis 800 000 Fans. Das Potenzial ist riesig. Barry Hearn: „Es fehlt nur eine Zutat für den ganz großen Durchbruch: Ich brauche einen Topspieler, einen Boris Becker mit Pfeilen. Ich setze große Hoffnungen auf Max Hopp.“

Max Hopp soll es richten. So wie Raymond van Barneveld die Niederlande erweckt hat und aus dem Land heute eine Darts-Supermacht geworden ist. Auf den so einen „Barney-Effekt“ hofft die gesamte Branche für Deutschland: dass dieses Land zur Darts-Republik wird. Die Erwartungen an Hopp sind groß. Seit er 2012 erstmals bei der WM spielte, wird er als künftiger Weltmeister gehandelt. Im Vorfeld der WM hat er sich deshalb aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, um dem Druck zu entgehen, der auf ihm lastet. Er hat sich dazu Tipps von Stars wie Michael van Gerwen und Phil Taylor geholt – auf den Rekordchampion könnte er übrigens im Achtelfinale treffen.

„Ich will einmal Weltmeister werden.“

Hopp gehört zu einer neuen Generation im Darts. Spieler, die sehr viel professioneller leben und arbeiten als die Generation vor ihnen, die bisweilen noch immer so aussieht, als käme sie direkt aus einer verrauchten Kneipe zur WM. Hopp, der mit seiner Lebensgefährtin Christin und deren Sohn Justin im 1200-Einwohner-Dorf Kottengrün im Vogtland lebt, hat sich mit bis zu sechs Stunden Training am Tag vorbereitet. Es ist stundenlanges Feilen im Millimeterbereich, immer auf der Suche nach dem perfekten Wurf. Der 20-Jährige hat im Vergleich zu seinen ersten WM-Auftritten an seiner Fitness gearbeitet und viel Gewicht verloren. Er achtet auf seine Ernährung, er hat einen ausgefeilten Fitnessplan. Darts ist Profi-Sport, und entsprechend arbeitet der „Maximiser“, wie sein Kampfname im Darts lautet. Dem Stereotyp vom adipösen Darts-Spieler entspricht er nicht. Auch all die anderen Nachkömmlinge, etwa die vielen jungen Niederländer, sind meist etwas anders sozialisiert worden als die „Generation Pub“ der 40- bis 50-jährigen Darts-Stars. Was eben auch daran liegt, dass Darts eine finanzielle Perspektive hat.

Wie so viele ist Hopp zufällig zum Darts gekommen. Er spielte Handball, nach einem Sturz mit Bänderverletzung im Nackenbereich war mit zwölf Jahren aber Schluss. Der Vater brachte ihm eine Darts-Scheibe mit, er wurde besser und besser – und heute ist er die Nummer 38 der Welt. In der „Order of Merit“, der Geldrangliste, wird er mit 79 000 Pfund geführt (rund 90 000 Euro), das sind seine Einnahmen der vergangenen 24 Monate. Noch hat er keinen Manager, er organisiert sich selbst. Lange wird das nicht mehr möglich sein, wenn er sich so weiter entwickelt. Schon jetzt ist er um die 250 Tage im Jahr unterwegs, seine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann hat er abgebrochen und ganz auf die Pfeile gesetzt. Er sagt: „Ich will einmal Weltmeister werden.“