Erst Weltmeister-Besieger, dann fassungslos und bedient: Der bittere Last-Minute-K.o. ist für Deutschlands Darts-Hoffnung Gabriel Clemens eine Enttäuschung. Die Vorfreude auf 2021 ist erheblich gedämpft.

London  - Diese sieben verpassten Chancen auf den nächsten geschichtsträchtigen Coup werden Gabriel Clemens noch lange Zeit beschäftigen. Mit der bislang einmaligen Chance auf 50.000 Pfund Preisgeld und den Einzug ins WM-Viertelfinale versagten dem deutschen Darts-Hoffnungsträger in London plötzlich die Nerven. Der „German Giant“ war untröstlich. „Wenn man so viele Matchdarts verballert, freut einen erstmal nichts mehr“, sagte Clemens, nachdem er das Achtelfinale gegen Polens Krzysztof Ratajski in einem mitreißenden Pfeile-Krimi mit 3:4 verloren hatte.

 

Das abschließende Doppel-Schauspiel mit insgesamt 17 verpassten Match-Darts machte die beiden Profis im Alexandra Palace und die Zuschauer vor den Fernsehschirmen fassungslos. „Man denkt einfach: Wirf ihn rein, wirf ihn rein. Er ging aber nicht rein“, sagte Clemens dem ZDF.

„Ich bin sauer auf mich selbst“

Am Ende mussten beide Akteure auf die Doppel-eins zielen – und Ratajski nutzte schließlich seine elfte Chance. „Dieses Ende war furchtbar. Es war verrückt. Normalerweise verliere ich solche Matches“, sagte Ratajski, der nun erstmals im WM-Viertelfinale steht. Beim Verlierer herrschte trotz seines begeisternden Auftritts inklusive Sieg über Weltmeister Peter Wright nichts als Frust. „Ich bin sauer auf mich selbst“, sagte der 37-Jährige.

Die passenden Worte mussten diesmal andere für Clemens finden. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) outete sich schon nach Clemens’ Achtelfinaleinzug über den kunterbunten Champion Wright als Pfeile-Fan und gratulierte dem Saarländer. Nach dem Ende der Londoner Abenteuer-Reise würdigte Hans den Darts-Profi noch einmal. „Super gekämpft und Geschichte geschrieben. Herzlichen Glückwunsch @GGiant180 zu einer tollen Darts-WM“, schrieb Hans auf Twitter. Clemens habe „Deutschland und das Saarland großartig vertreten“.

Dennoch gutes Jahr für Clemens

So sahen es auch zahlreiche Fans, zu denen am Dienstagabend auch die frühere deutsche Nummer eins Max Hopp zählte. Er sei „aufgesprungen“ und habe „die Nüsse vom Sofa geschmissen“, berichtete TV-Zuschauer Hopp auf Instagram von der bisher packendsten Partie der Titelkämpfe. Clemens selbst erzählte, er habe in den vergangenen Tagen so viele Medienanfragen wie nie zuvor erhalten. Sein Handy habe nicht mehr stillgestanden, seit er sich „Weltmeister-Besieger“ nennen darf und mit dem großen Sieg endgültig in der Darts-Elite ankam.

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Mit ein bisschen Abstand wird der stolze Saarländer („Es ist der schönste Platz in Deutschland“) ein positives Jahresfazit für 2020 ziehen können. Clemens schlug nicht nur „Snakebite“ Wright bei der WM, sondern bei anderen wichtigen Turnieren auch Weltklasseprofis wie Rob Cross oder Nathan Aspinall (beide England). Mit Landsmann Hopp erreichte er im November in Salzburg zudem das Halbfinale bei der Team-WM.

Sein zweites Jahr als Vollprofi spülte den Industriemechaniker bereits in die Top 32 der Weltrangliste. 2021 wird er definitiv weitere Gelegenheiten erhalten, noch enger an die Weltspitze heranzurücken.