Die Arbeit der Treuhandanstalt belastet viele frühere DDR-Bürger bis heute. Sie muss durchleuchtet werden. Abgeordnete von SPD und Grünen sollten den Antrag der Linksfraktion zu einem Untersuchungsausschuss unterstützen, fordert unser Kolumnist Götz Aly.

Stuttgart - Die Fraktion der Linken im Bundestag will einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Treuhandanstalt beantragen. Es geht um die Durchleuchtung jener Institution, die für Verkauf oder Abwicklung ehemaliger DDR-Betriebe zuständig war.

 

Mittlerweile hat sich die AfD dem Antrag angeschlossen, während Thilo Sarrazin, 1990/91 leitend in der Treuhand tätig, den Antrag für „albern“ hält. Ich finde das nicht. Denn es besteht der Wunsch von Millionen einstiger DDR-Bürger, dieses Thema öffentlich zu verhandeln – aus einem einfachen Grund: Der Freude über Freiheit, neue Möglichkeiten und Wiedervereinigung folgten nach 1990 vielfach harte Brüche im privaten und beruflichen Leben, brachiale westliche Bevormundung, Werteverlust, Desorientierung, Verödung ganzer Landstiche, Heimatlosigkeit und auch das Gefühl kollektiver Demütigung.

Wer liest solche Studien?

Gewiss lag das nicht allein an der Treuhand, aber sie bildet im Gedächtnis der Betroffenen einen wichtigen, negativ umnebelten Punkt. Ein Untersuchungsausschuss kann die Faktenlage erhellen, dazu beitragen, Fehlurteile zu korrigieren und den Verantwortlichen der Treuhand Gerechtigkeit widerfahren lassen. Sie standen unvorbereitet vor einer schwierigen Aufgabe. Das sollte ihnen für manche Entscheidungen, die sie heute womöglich selbst als Fehlentscheidung betrachten, zugutegehalten werden.

Nun behaupten Abgeordnete der CDU, CSU und der FDP, eine solche Aufgabe sei am besten von Historikern zu bewältigen. Dem widerspreche ich energisch, und zwar als Historiker. Wer den deutschen Zeitgeschichtsbetrieb kennt, weiß, was dann geschähe. Zunächst würden Drittmittel beantragt, dann würden einzelne Lehrstuhlinhaber das Großthema in Dutzende Unterthemen für Doktorarbeiten aufspalten. Nach aller Erfahrung wird von diesen Arbeiten ein Drittel scheitern, die zumeist überspezialisierten Studien, die in etwa sechs bis zehn Jahren vorliegen würden, kämen zu spät und wären zumeist unlesbar geschrieben. Wer liest denn die Arbeiten, die auf solche Weise über das Reichsfinanzministerium, das Reichsernährungsministerium oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Dritten Reich verfasst wurden? Fast niemand. So kann man einen unguten gesellschaftlichen Konflikt nicht versachlichen, geschichtlichen Konsens nicht stärken.

Historiker sind auf das Fabulieren von Zeitzeugen angewiesen

Anders als Historiker kann der Untersuchungsausschuss Akten beiziehen, die noch in den Registraturen der Ministerien schlummern. Er kann die seinerzeit Verantwortlichen streng befragen, Protokolle fertigen lassen und so weiter, während Historiker, wenn sie denn vorgelassen werden, auf das Fabulieren sogenannter Zeitzeugen angewiesen sind. Es geht um Objektivierung, nicht darum, Theo Waigel, Horst Köhler und andere vorzuführen. Selbstverständlich sollen auch Angehörige der DDR-Elite befragt werden: zum Beispiel Wirtschaftsministerin Christa Luft, Finanzminister Walter Siegert, Dieter Knoch (einst Vizeminister für Chemische Industrie, dann Manager des Übergangs) und andere durchaus achtbare Vertreter des untergegangenen Staates.

Aus all diesen Gründen sollten Abgeordnete von SPD und Grünen den Antrag „Untersuchungsausschuss Treuhand“ unterstützen, um die notwendige Anzahl von 120 Befürwortern zu erreichen.