Die Guerilla-Organisation Farc hört auf, als bewaffnete Organisation zu existieren. Sie legt ihre Waffen nieder und wird zur politischen Partei. Doch das Morden geht weiter.

Bogota - Auch vor dem vorerst letzten Akt des Friedensprozesses in Kolumbien gibt eine unliebsame Überraschung. Ein Erdrutsch hat die wichtige Verbindungsstraße auf dem Weg zwischen der Hauptstadt Bogota und Mesetas nahezu unpassierbar gemacht. Dort in der Provinz, dem Tor zum Amazonas wie sie in Kolumbien sagen, endet am Dienstag eines der blutigsten Kapitel in der Geschichte Lateinamerikas. „Die Farc hört auf zu existieren“, verspricht Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos seinen Landsleuten. Die Farc, die bis dato älteste noch aktive Guerilla-Organisation des Kontinents, legt in Mesetas ihre Waffen nieder.

 

Die Rebellen präsentieren sich als Sieger

Allein um diese Formulierung wurde hart gerungen: Legen die Guerilleros ihre Waffen nieder oder geben sie sie auch ab. Ein kleiner, aber feiner Unterschied für das Selbstbewusstsein der Rebellen, die sich in der Öffentlichkeit bisweilen als Sieger des Konflikts präsentieren. Trotz unzähliger Morde an Zivilisten, Entführungen, Folter, Vergewaltigung und tiefe Verstrickung in den Drogenhandel: Die Propaganda-Maschinerie arbeitet bereits auf Hochtouren. In einem deutschen Twitter-Account, der der Farc zugeschrieben wird, wird der Kampf der 48 tapferen Männer gerühmt, die einst den Krieg gegen den Staat aufnahmen.

Als die Farc vor über einem halben Jahrhundert gegründet wurde, ging es noch um politische Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit für die unterdrückten Kleinbauern und nicht um knallharte Marktanteile im Kokain-Geschäft. Trotz der rund 220 000 Toten und sieben Millionen Binnenflüchtlinge, die der Krieg der Farc gegen die Armee, den Staat, die Paramilitärs und bisweilen auch gegen rivalisierende Guerilla-Banden gefordert hat, hat sich an der sozialen Benachteiligung der afrokolumbianischen, der indigenen Bevölkerung und der Kleinbauern nichts geändert.

Die Mordrate ist gesunken

Nun besinnt sich die Farc wieder auf ihre eigentlichen politischen Wurzeln. Prompt ist die Mordrate dramatisch gesunken und in den Medien ist nicht mehr der Guerillakrieg, sondern die sozialen Missstände an der Pazifikküste oder Lehrerstreik Thema auf den Titelseiten. Das ist wohl das größte Verdienst des Friedensnobelpreisträgers Santos, der für seinen langen Atem in den vierjährigen Verhandlungen vor ein paar Monaten in Oslo ausgezeichnet wurde. Ihm scheint es erst mit militärischer Härte und dann auf dem Verhandlungsweg gelungen zu sein, der Guerilla klarzumachen, dass Gewalt eben nicht zum Ziel führt.

Die Farc wird in Kürze eine politische Partei werden. Im August ist eine Art Gründerkongress geplant, einen eigenen Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen 2018 will sie aber nicht aufstellen. Trotzdem fremdelt Kolumbien mit dem Frieden. Vielen Kolumbianern ist das bisweilen selbstherrliche Auftreten der Farc-Spitze ein Dorn im Auge. Dass die Guerilla auch ohne Wählervotum zehn Sitze im Parlament sicher hat, empfinden viele als Aushöhlung der Demokratie. Das hat sie im Friedensvertrag ausgehandelt, dem das Volk allerdings bei einer Abstimmung knapp die Zustimmung verweigerte und der dann anschließend mit einigen Änderungen durch das Parlament gepeitscht wurde. Vor allem aber tun sich viele schwer damit zu ertragen, dass die geistigen Auftraggeber von Mord und Vertreibung vielleicht ohne Gefängnisstrafe davonkommen.

Eine bittere Pille für das Volk

Die Amnestie ist die bitterste Pille für das kolumbianische Volk, dessen Misstrauen ist offenbar gerechtfertigt. An der Pazifikküste wütet ein mörderischer Kampf zwischen paramilitärische Banden und der zweitgrößten Guerillagruppe, der marxistischen ELN. Es geht wieder einmal um Marktanteile im Drogengeschäft und illegalen Bergbau. Nahezu täglich wird irgendwo von rechten Todesschwadronen ein Menschenrechtsaktivist getötet. In den letzten Tagen wurden von der ELN zwei holländische Journalisten entführt und nach sieben Tagen freigelassen. Und im prominenten Einkaufszentrum Centro Andino in Bogota explodierte eine Bombe, die drei unschuldige Frauen in den Tod riss. Mutmaßliche Auftraggeber: eine linksextremistische Splittergruppe. Den Frieden haben sich die Kolumbianer anders vorgestellt.