Zu ihrem zwanzigsten Geburtstag wird die Vorabendserie „Verbotene Liebe“ eingestellt. Denn durchschnittlich 1,22 Millionen Zuschauer sind den Programmchefs nicht genug. Die Fans wollen die Serie auf jeden Fall erhalten – fragt sich bloß, wie.

Stuttgart - Tanz am Abgrund“ hieß passenderweise die 4532. Folge der ARD-Vorabendserie „Verbotene Liebe“, die am vergangenen Freitag lief. Der Abgrund bestand zunächst nur in den Untiefen des Düsseldorfer Hafenbeckens, an dessen Quai der egomanische Artdirector Thore Hellström (Philipp Oehme) waghalsig auf seinem Rollstuhl balancierte, um die in ihn verliebten und um ihn kämpfenden zweieiigen Zwillinge Caro und Giselle Schulz (Katja Sieder & Kim Riedle) zu ängstigen.

 

Doch dieser Freitag fiel für das rund 180-köpfige Team und die Fans von „VL“ in der Realität weitaus schwärzer und abgründiger aus, denn ARD-Programmdirektor Volker Herres verkündete nach knapp zwanzig Jahren das Aus einer Serie, „die Fernsehgeschichte geschrieben“ habe, wie es mit einer Krokodilsträne hieß. Ähnlich war es bereits der proletarischen ARD-Schwester-Soap „Marienhof“ ergangen, die 2011 nach 18 Jahren eingestellt wurde – wegen gesunkener Quoten. Daraufhin wurde die „Verbotene Liebe“ auf das doppelte Format verlängert, was für ein tägliches Format überaus riskant ist, und mit einem mallorquinischen Handlungsstrang ergänzt, der zu den Ursprüngen der Serie zurückführte:

Herzschmerz in allen Variationen

Indem sich Jan (Andreas Brucker) am 2. Januar 1995 bei der Ankunft am Flughafen Köln-Bonn unwissentlich in seine Zwillingsschwester Julia von Anstetten (Valerie Niehaus) verliebte, von der ihn die grausame Mutter Clarissa (Isa Jank) kurz nach der Geburt getrennt hatte, war der Urkonflikt gelegt, der dramaturgische Ausgangsknoten für 19 Jahre immer neuen Herzschmerz in allen Variationen. Von den Charakteren der ersten Stunde ist nur noch die Theaterwissenschaftlerin Gabriele Metzger als Bistro-Besitzerin Charlie Schneider dabei. Ihr seien am Freitag beim Rasensprengen die Tränen gekommen, sagte sie übrigens. Die Quoten der „Verbotenen Liebe“ haben sich von 2,9 Millionen Zuschauern 1998 auf durchschnittlich 1,22 Millionen mehr als halbiert. Laut Rainer Wemcken, dem Geschäftsführer der Produktionsfirma UFA Serial Drama, entspricht das einem Marktanteil von sieben bis acht Prozent. Hat die „Verbotene Liebe“, laut „Stern“ die „Chanel-Seife unter den Daily Soaps“, damit ihr Verfallsdatum beziehungsweise die von der ARD aufoktroyierte Sollbruchstelle erreicht? Nur die seit 1985 allsonntäglich laufende Serie „Lindenstraße“ ist älter. An Werktagen nehme sie um 18 Uhr herum möglichst keine Termine an und gehe nicht ans Telefon, hatte Elke Heidenreich bekannt – und sprach damit vor allem vielen Akademikerinnen aus der Seele, die die Serie zum Zeil schon seit Studientagen verfolgen.

Weitaus weniger glamourös als die „Denver Clan“-Meisterintrigantin Joan Collins, die in „VL“ ein Oldtimertreffen mit ihrem Erscheinen adelte oder als Dirk Bach, der einer Schwulenhochzeit seinen Segen gab, agierte Elke Heidenreich ein paar Mal als Privatdetektivin. Sie legte dar, wie sich die Nibelungen-Saga genuin im Grafengeschlecht der von Lahnsteins fortsetzt. Auf deren Stammsitz Schloss Königsbrunn alias Schloss Ehreshoven im Bergischen Land fand kürzlich noch ein Fan-Tag statt. Mehr als sieben Millionen Aufrufe verzeichnet die Mediathek jeden Monat.

Die Absetzung ist fahrlässig

Nach der Zwangspause mit Jörg Pilawas pannenstrotzendem „Quizduell“ – das jetzt als siegreicher Nachfolger hervorgeht – sei die „ganz treue Zuschauergemeinde“ wieder in vollem Umfang da gewesen, sagt Rainer Wemcken: „Ein Quiz wird nicht den hohen Bindungsgrad haben wie eine Daily Soap, bei der man wissen will, wie es weitergeht und mit der man sehr verwoben ist.“

Der maliziöse Ansgar von Lahnstein, dem Wolfram Grandezka dank hervorragender Dialoge die Aura eines deutschen J.R. verleiht, gilt derzeit als tot, wird seine missgünstigen Verwandten und Ex-Frau Tanja (Mirjam Lahnstein) jedoch erneut mit seinem zähen Überlebenswillen überraschen. Doch gilt das auch für die „Verbotene Liebe“? Weiß die ARD, auf was für ein kreatives Potential sie da verzichtet? In einer Zeit, in der die fiktionalen Formate immer weiter zurückgehen, erscheint die für Januar geplante Absetzung der Vorabendserie fahrlässig.

Weiter, aber wie?

„Unser Ziel ist es, diese starke Marke, die ja auch viel mit der ARD zu tun hat, nicht zu verlieren“, beteuert Rainer Wemcken. Nach der traurigen Nachricht vom Freitag arbeite man am Kündigungsszenario: „Eine Hoffnung besteht darin, die Sendung als wöchentliches Format weiterzuführen.“ Als reine Internet-Serie sei die „Verbotene Liebe“ nur mit einer größeren Plattform finanzierbar. Aber ob da alle Zuschauer mitgehen, von denen sich schon mehr als 6400 bei einer Facebook-Protestkampagne beteiligen (Stand 22.7.)? Es gilt, die unter anderem 2010 mit der Rose d’Or prämiierten Qualität der „Verbotenen Liebe“ zu retten. Denn wie verkündete Kneipier und Fotomodell Oliver Sabel (Jo Weil) so treffend in der Freitags-Episode: „Ihr seid die besten Freunde, die man haben kann.“