Deutschlandfunk Nova macht ein konkurrenzloses Angebot. Der Sender will Menschen zwischen 20 und 35 Jahren solides Wissen spannend vermitteln. Und obendrein nur Musik vorstellen, die noch nicht jeder kennt.

Köln - Was ist ein imperatives Mandat? Schadet Instagram unserem Liebesleben? Sind Kontaktlinsen gefährlich? Was kann man Neues lesen, auf welche Serien sollte man 2019 achten?

 

Alles an der Jugendwelle Deutschlandfunk Nova will „Wissen ist cool!“ schreien. Moderatorinnen und Moderatoren in Kapuzenpullis und Hipster-Brillen, Faktenlieferung in Umgangssprache, Duzen von Interviewpartnern. Zu finden ist das Programm im Netz und in der App, via Digitalradio DAB oder als Podcast.

Alles wird Thema

Der Deutschlandfunk hat mit Nova ein Sonderangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geschaffen. Der 2010 unter dem Namen „D Radio Wissen“ entstandene Sender war von Anfang an ein Zuhause für Informationen über das Tagesgeschehen hinaus. In den ersten Jahren kam er jedoch etwas verstaubt herüber. Die Musik war eher ruhig, die Moderatoren eher älter. Seit 2014 lautet das Konzept aber klar: Wissen für die 20- bis 35-Jährigen.

„Es ist kompliziert. Dazu guter Pop“ lautet das Motto, unter dem Geschichte, Wissenschaft, Medien, Kultur, Politik und Sex besprochen und erklärt werden. Computerspiele und Diskussionen zum Gender-Pay-Gap, die Vermehrung von Fruchtfliegen und das Scheitern der Weimarer Republik – alles wird hier Thema.

Zwischen Aktualität und Haltbarkeit

„Wir haben ziemlich deutliche Feedbacks aus der Hörerforschung bekommen“, sagt Christian Schütte, Redaktionsleiter On Air. Potenzielle Hörer, die das Programm an sich interessant fanden, schalteten nicht ein, weil sie mit dem Begriff „Wissen“ eher Schulunterricht verbinden.

Die Themenauswahl balanciert zwischen Aktualität und langer Haltbarkeit. Ein Gespräch mit einem Fotografen, der indigene Völker dokumentiert, kann man immer hören; die Meinung eines 27-jährigen CDU-Kreistagsabgeordneten über die Wahl der Parteispitze verliert irgendwann ihren Reiz als Neuheit. Eine wichtige Rolle bei der Themenauswahl spiele die Frage, ob etwas digital wiederverwertbar sei, sagt die Online- und Social-Media-Chefin Lena Stärk. Bei politischen Themen schaue man nach den persönlichen Aspekten.

Bitte in einem Satz

Für die Reichweite eines Online-Senders sind soziale Netzwerke essenziell. Ganz vorne dabei: Instagram und Youtube. Am erfolgreichsten war für Nova 2017 die Videoreihe „Ich würde nie“, in der Spitzenpolitiker im Vorfeld der Bundestagswahl beim Trinken in einem Späti interviewt wurden. Etwa 178 000 Views pro Video gab es im Schnitt. Davon ist das Gespräch mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel mit knapp 775 000 Aufrufen Novas meist angeschautes Video. Die Reihe „Job & Vorurteil“ hat im Schnitt nur 1500 Aufrufe.

Insgesamt folgen knapp 193 000 Profile den Nova-Konten in den sozialen Medien. „Die Wissensthemen, die wir haben, laufen ganz gut, weil es Informationen sind, die man abends auf der Party erzählen kann“, sagt Stärk. Themen funktionierten am besten, wenn sie sich in einem Satz zusammenfassen ließen – ohne natürlich die Information zu verzerren. Komplizierte Themen der Netztauglichkeit zuliebe zu versimpeln, das käme aber nicht infrage.

Dem Popmarkt immer voraus

Die erfolgreichste Show ist „Eine Stunde History“ mit circa 50 000 Hörern pro Folge. Sie bietet, was der Titel verspricht: Eine Stunde lang wird Geschichtliches auf seine aktuelle Relevanz hin geprüft. Zum Beispiel, wie römische Gesetze unser Strafrecht geprägt haben. Oder was die Pandemie der Spanischen Grippe 1918/1919 mit der heutigen Grippe-Impfung zu tun hat. Dagegen erreicht „Eine Stunde Liebe“ nur circa 10 000 Menschen. Es gibt eben zu viel Konkurrenz auf dem Markt der Sex-Talks.

An der Wand in der Redaktion hängt ein gerahmtes Musikalbum, ein Gold Award für 200 000 verkaufte Singles von Alice Mertons „No Roots“. Bei Nova lief der Song, als er brandneu war. In der aktuellen Playlist ist es nicht mehr zu finden. Er ist zu sehr Mainstream geworden. „Wenn es in Kaufhäusern läuft, spätestens dann muss es von unserer Rotation runter“, sagt Schütte. Für Müller-Schmid ist das „manchmal eine undankbare Geschichte“. Gerne hätte man die Lieder manchmal noch im Programm, wenn sie richtig zünden. „Aber es gehört zu unserer Philosophie dazu. Wenn ein Song auf den großen Festivals landet, wollen wir schon woanders sein.“

Fazit: funktioniert

Selbst wenn die Lieder kein Massenpublikum erreichen, älter als fünf Jahre dürfen sie auf keinen Fall sein – ein enges Fenster. Für jeden neuen Titel, der auf die Playlist kommt, muss ein anderer runter. Aktuell hört man etwa „Heaven let me in“ von Friendly Fires, „Schön genug“ von Haller oder „Freedun“ von M.I.A. und Zayn.

Mehrmals im Jahr organisiert Nova im Kölner Funkhaus Konzerte junger Künstler – auch von solchen, die noch keinen Plattenvertrag haben, dem Team jedoch vielversprechend erscheinen. Die Karten dafür werden verschenkt. Auf Fotos vergangener Shows sieht das Publikum aus wie erwartet: jung, hip, Mitte zwanzig. Das Nova-Konzept scheint zu funktionieren.