Der Fall Özil/Gündogan hält den DFB auch im Vorfeld des Testspiels gegen Saudi-Arabien in Atem. Oliver Bierhoff appelliert: „Ich hoffe, dass es keine Pfiffe gibt. Wir sind ein Team auch in Deutschland mit unseren Fans.“

Sport: Marco Seliger (sem)

Eppan - Das große, weiße Pressezelt neben dem Kunstrasenplatz des FC Südtirol war in den vergangenen zwei Wochen kein Ort der klaren Worte, zumindest nicht, was den Fall Ilkay Gündogan/Mesut Özil anging. Am Donnerstag, dem letzten Tag der Nationalelf im WM-Trainingslager in Eppan, änderte sich das. Tacheles wurde gesprochen auf dem Podium, eine klare Kante wurde gezeigt. Und ohne Umschweife kam man plötzlich zum Punkt. Ein bisschen ungewohnt war das Ganze, nachdem man zuletzt an selber Stelle nur davon hörte, die Sache mit der umstrittenen Zusammenkunft der beiden deutsch-türkischen Nationalspieler mit dem umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan samt den gemeinsamen Fotos sei abgehakt. Man konzentriere sich auf das Sportliche, und das Ganze sei doch nun wirklich erledigt. Das war die Sprachregelung. Fast hätte man meinen können, die DFB-Strategen befänden sich in einem Verdrängungswettbewerb, was ihre geballte Abwiegelungsrhetorik anging.

 

Deutliche Worte von Manager Oliver Bierhoff

Nun, am Tag der Abreise in Richtung Leverkusen, wo an diesem Freitag der letzte WM-Test gegen Saudi-Arabien stattfindet (19.30 Uhr/ARD), zeigte sich, dass gar nichts erledigt ist. Weniger denn je. Mehr noch: Die sportliche Führung der Nationalmannschaft, in diesem Falle der Manager Oliver Bierhoff, widersprach sich kurz vor dem Abflug nach Köln selbst. Denn es ging auf einmal doch nicht mehr nur um das Sportliche, wie es in den Tagen zuvor immer wieder propagiert wurde in Südtirol. Dort also, wo Oliver Bierhoff am Donnerstagmittag plötzlich deutlich wurde in der pikanten Causa Erdogan.

Es ging um mögliche Pfiffe des Leverkusener Publikums an diesem Freitag gegen Ilkay Gündogan. Der Manager sah sich nun genötigt, Unterstützung von den Rängen einzufordern. Er hoffe, sagte Bierhoff also, „dass es keine Pfiffe gibt. Bei aller Verärgerung, die wir haben: Wir sind ein Team auch in Deutschland mit unseren Fans.“ Bierhoff sagte weiter: „Okay, es ist etwas verkehrt gelaufen, aber jetzt schauen wir nach vorne und stehen zusammen. Ich hoffe insofern natürlich, dass jeder, auch wenn er vielleicht innerlich ein bisschen Unmut hat, sich zurückhält.“

Fragwürdige Krisenpolitik

Nachdem der DFB im Fall Gündogan/Özil in seiner fragwürdigen Krisenpolitik also zunächst alles unter den Teppich kehren wollte, preschte er nun einen Tag vor dem Heimspiel selbst vor, indem er mögliche Pfiffe gegen Gündogan selbst thematisierte und sich damit einem ganz und gar unsportlichen Thema widmete – offensichtlich, um irgendwie Schlimmeres am Spielabend zu verhindern. Negative Spruchbänder, Schmährufe oder ein Pfeifkonzert gegen Gündogan – so etwas kann der DFB gerade ganz und gar nicht brauchen. Am vergangenen Samstag schon wurde Gündogan von Teilen der deutschen Fans beim Spiel gegen Österreich ausgepfiffen. Ein Warnschuss, den die sportliche Leitung offenbar erhörte.

Auf die Frage, warum der DFB im Trainingslager in Südtirol in seiner Krisenpolitik nicht alles dafür getan habe, ohne das Thema zur WM nach Russland reisen zu können, antwortete Bierhoff am Donnerstag noch dies: „Was hätten wir noch mehr machen sollen? Ich bin der Meinung, wir haben sehr viel gemacht“, meinte der Manager – und begann dann wieder, alles zu verdrängen: „Jetzt reicht es dann auch. Wir haben den Spielern gesagt, dass sie das abhaken müssen.“

Özil spielt nicht, Gündogan nur vielleicht

Der Bundestrainer Joachim Löw betonte indes, dass „sich Ilkay und Mesut absolut mit unseren Werten hier in der Nationalmannschaft identifizieren“ – und ergänzte: „Beide haben sich uns gegenüber geäußert. Das ist für mich das Wichtigste.“

Ob Ilkay Gündogan überhaupt zum Einsatz kommen wird gegen Saudi-Arabien, ist dabei offen. Klar ist dagegen, dass Mesut Özil bei der WM-Generalprobe fehlen wird. Der Spielmacher wird aufgrund einer leichten Knieprellung geschont. Der WM-Auftakt ist für Özil nach Angaben des Bundestrainers aber nicht in Gefahr. „Er hat gegen Österreich einen Schlag abbekommen. Das Knie ist etwas dick geworden. Die Ärzte hatten ihm zwei, drei Tage Pause verordnet“, sagte Löw und ergänzte: „Wir gehen das Risiko nicht ein.“ Der Spielmacher des FC Arsenal soll in der kommenden Woche wieder voll in das Training einsteigen. „Das Spiel gegen Mexiko steht nicht infrage“, sagte Löw mit Blick auf das erste Gruppenspiel am 17. Juni in Moskau.

Löw berichtete zudem, dass sich der Angreifer Timo Werner im Training vor der Rückreise nach Deutschland „leicht verletzt“ habe. „Er hat einen Schlag bekommen. Es sieht aber so aus, als ob es nicht so schlimm ist.“ Möglicherweise könne der Leipziger gegen Saudi-Arabien eine Hälfte lang spielen. Als Alternative käme Mario Gomez vom VfB Stuttgart infrage.

Bei der Sturmbesetzung also ist alles offen. Klar ist dagegen das Ziel der DFB-Elf. Mit einem starken Auftritt will das Team den schwachen Auftritt gegen Österreich vergessen machen. Und damit auch aus sportlicher Sicht für eine bessere Stimmung kurz vor dem Start der WM sorgen.

Es wird Zeit, dass sich was dreht beim Weltmeister.