Eminem, der König des amerikanischen Hip-Hop, hat nach vier Jahren Pause ein neues Album veröffentlicht. „Revival“ bietet illustre Gäste und einige Starke Songs, aber auch viel Durchschnittsware.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Achtung, Mogelpackung! Das Cover von Eminems neuem Album „Revival“ ziert eine ausgebleichte, zerknautschte amerikanische Nationalflagge, sie könnte als starkes Indiz dafür gewertet werden, was auf diesem Werk zu erwarten ist. Aber Pustekuchen. Wem sonst wenn nicht Eminem hätte man zugetraut, die überfällige gallige künstlerische Abrechnung mit Donald Trump zu liefern, doch der größte und nach wie vor weltweit bedeutendste Rapper: er schweigt. Das verblüfft, im Allgemeinen sowieso, aber auch im Besonderen – hat er doch erst vor zwei Monaten als Herold für das Album ein A-Capella-Video namens „The Storm“ veröffentlicht, auf dem eben die Verfehlungen des US-Präsidenten Thema waren. Doch aus dem Herold wurde ein Holzweg: das Stück „The Storm“ findet sich nicht einmal auf dem Album wieder.

 

Stattdessen gibt es ein paar Seitenhiebe in Richtung Nordkorea und anderswohin, aber nichts Ernstes; nichts jedenfalls von mit hinreichend Zündstoff versehener Durchschlagskraft, das „Revival“ zu einem stramm politischen Album machen würde. Schade eigentlich. Erfreulich hingegen, dass der einzige Weiße in der US-Superstar-Rapliga nach wie vor auf die Dicke-Hosen-Attitüde vieler seiner dunkelhäutigen amerikanischen Kollegen verzichtet und auch auf die beschämend dürftigen Proletenreime vieler seiner Epigonen aus der deutschen Sprechgesangsbundesliga mühelos verzichten kann.

Nabelschau der persönlichen Befindlichkeiten

Vom Trailerpark ist er hinreichend weit entfernt; von der deutschen Band diesen Namens sowieso, aber eben längst auch jener untersten Unterschicht, der er selbst entstammt und in der übrigens viel für Trump gestimmt wurde – was jetzt reichlich Raum für steile musiksoziologische Thesen liefern könnte à la hier will einer die Hand nicht beißen, die er füttert. Aber das dürfte dem mittlerweile auch schon 45-Jährigen, der bis dato weit über 100 Millionen Tonträger verkauft hat, mittlerweile wohl wirklich herzlich egal sein. Und so nutzt Marshall Bruce Mathers alias Eminem sein nunmehr neuntes Album wieder einmal zur Nabelschau seiner persönlichen Befindlichkeiten, als Bericht des status quo vadis seines Wegs auf der Sinn-(des Lebens)-Suche und als Reflexion über die Beziehung zu seiner Tochter. Kann man so machen, kann man so sogar sehr gut finden.

Was hingegen seinen musikalischen Status betrifft, kann ein Mann wie er natürlich rufen, wen er will: sie kommen alle. Mit Alicia Keys singt er auf einem der 19 Tracks dieses Albums ein windelweiches Lied namens „Like Home“, in dem allen Ernstes artigst beschworen wird, dass es Daheim doch am schönsten ist. Viel zu brav gerät ihm auch „Need me“, sein Duett mit Pink. Und nicht gerade göttlich klingt die Singleauskopplung „Walk on Water“ mit Beyoncé – dass sie es viel besser kann, hat sie auf ihrem letzten eigenen Album „Lemonade“ überzeugend bewiesen. Viel spannender ist da schon „Nowhere Fas“, das Eminem mit der R’n’B-Sängerin Kehlani einsingt. Und das mit Abstand beste und überdies musikalischste Stück des Albums ist, wer hätte es gedacht, das Stück „River“ mit Ed Sheeran als Gast.

Preiswerte, geborgte Samples

Gute Musik kann Eminem aber auch ohne illustre Gäste bieten, etwa im ebenfalls überzeugenden „Heat“. Insofern verzeiht man ihm auch die echt preiswerten Samples, die er sich bei den Cranberrys („Zombie“) und Joan Jett („I love Rock’n’Rol“) borgt. For what? Gute Frage. Vielleicht um ein wenig vom Ideenmangel abzulenken. Denn in seiner Kernkompetenz, dem klassischen Old-School-Rap, zeigt sich Eminem auf „Revival“ von seiner schwächsten Seite. Alles klingt, wie die Hip-Hop-Musik – auch auf Eminems Alben – schon vor zwanzig Jahren klang. Recht laue Beats (obwohl von Dr. Dre und Rick Rubin in Szene gesetzt), recht lauer Flow, viel Stückwerk, viel Unausformuliertes und leider auch viel Fades.

Und so hinterlässt dieses Album einen zwiespältigen Eindruck. In einigen Stücken zeigt Eminem seine wahre Klasse, in vielen hat er dem Bestehenden und auch seinem eigenen Oeuvre überhaupt nichts hinzuzufügen.