Früher versteckten Männer ihre einschlägigen Magazine im Hobbykeller oder in der Garage. Heute dürfen sie selbstbewusst zum Kiosk schreiten: Das neue „Zeit Magazin Mann“ ist auf jeder Seite voller Niveau und geschmackvollem Humor. Eine Magazinkritik.

Bauen/Wohnen: Tomo Pavlovic (pav)

Stuttgart - Früher hatte man nach der Lektüre eines Herrenmagazins das dringende Bedürfnis, Augen und Hände mit Kernseife gründlich zu waschen und das Heft vor der Kindern und der Ehefrau in der Garage zu verstecken. Später dann hießen Herrenmagazine plötzlich Männermagazine – und wichtiger als das lüstern dreinblickende Pin-up-Girl zum Ausklappen waren nun praktische Beauty-Tipps zum Thema Rasurbrand, gefühlvolle Reportagen über verchromte Auspuffendrohre oder - als Pendant zur Frühjahrsdiät in den Frauenzeitschriften – die erfolgversprechende Gebrauchsanweisung für die Aufzucht und Hege eines symmetrischen Waschbrettbauches (in acht Wochen).

 

Unterkomplex und verschwitzt

Doch seit dieser Woche liegt am Kiosk das neue „Zeit Magazin Mann“ aus – und vieles ist anders. Das 180-seitige Heft aus dem Hamburger Zeitverlag ist eine Hochglanzhommage an den kultivierten, von Geldnöten kaum geplagten, hochsensiblen, nachdenklichen Mann und richtet sich an wesensähnliche Leser, denen Publikumszeitschriften wie Playboy, GQ, Men’s Health oder auch das Pflichtblatt für den testosterongesteuerten Grillfreund Beef ein wenig unterkomplex und verschwitzt vorkommen.

Nachdenkliche Gesichter

Um sich zu unterscheiden, setzen die Blattmacher um den Chefredakteur Christoph Amend auf seriöse Bilderstrecken von bekannten Fotografen wie Armin Smailovic oder Peter Lindbergh. Letzterer liefert eine eindrucksvolle Modestrecke von dem Schauspieler und Oscar-Preisträger Christoph Waltz. Eindrucksvoll, weil die Klamotten auf den vorzugsweise schwarzweißen Porträts tatsächlich eine Begleiterscheinung bleiben, die Hauptrolle dem Künstler und Menschen vorbehalten ist. Der Held des Magazins also, auch auf dem Titelbild ist ein Endfünfziger mit Falten und Geheimratsecke, der mit melancholischem Blick einsam durch New York streunt. Keine Frau, nirgends. Der Mann kreist um sich. Ein mutiger, programmatischer Auftakt. So ein Heft kauft man sich nicht nach der Prostatauntersuchung oder einer Sitzung beim Psychoanalytiker zum Thema Midlife-Crisis. Oder doch?

Männer am Scheideweg

Auch sonst steht visuell der selbstreflektierte Mann im Mittelpunkt, der Problembär des 21. Jahrhunderts: Nach einer flüchtigen Zählung stehen in Anzeigen und neben redaktionellen Geschichten 132 Bilder von Männern 18 Fotos von Frauen gegenüber. Lediglich vier entblößte Brüste und ein Hund lassen ahnen, welchen beschwerlichen emanzipatorischen Weg der moderne, urbane Leser von Männermagazinen von heute bereits hinter sich hat. Hier geht alles politisch korrekt zu.

Dann, auf Seite 94 denkt man: Pusteblümchen! Zur Aufheiterung greift auch hier jemand zur Reizwäsche. Ein signalroter Porsche 911 röhrt durchs Blatt, man ahnt, dass jetzt gleich ein PS-besoffener Redakteur schreiberisch aus der Kurve fliegen darf. Aber die Redaktion war gedanklich schneller und hat die Politikredakteurin des Mutterblattes Elisabeth Raether aufs Gas treten lassen. Ein Fahrbericht ohne Sexismen. Ihre Erfahrungen mit dem Sportwagen sind amüsant, wie überhaupt die glossierenden Texte gefallen. Moritz von Uslar lässt sich über die Pein eines Mannes beim Tanzen aus, so schön, dass man sich beim Lesen unweigerlich bei einem Sitz-Pogo erwischt. Bernd Ulrich sinniert geistreich über Politik und Männlichkeit. Und der Stilexperte Tillman Prüfer entdeckt nach einem Schlüsselbeinbruch seine Sterblichkeit.

Ansonsten bleibt die Redaktion ihrem Motto treu: solide recherchierte Geschichten von mehr oder weniger bekannten Männern zu erzählen, die am Scheideweg standen oder stehen. Von Fußballern wie dem Ex-Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft Marcell Jansen, der mit 29 Jahren seine Karriere hinschmiss, um nur noch mit seinen Kumpels zu kicken. Oder von 96-jährigen Adligen, die den Entschluss gefasst haben, Winzer zu werden. All diese Porträts und Interviews kommen nicht überraschend, sie hätten auch in anderen Magazinen wie 11 Freunde oder dem wöchentlich erscheinenden Zeit Magazin stehen können. Doch zweimal im Jahr kann man getrost 8,50 Euro ausgeben, um über die Probleme von Porschebeifahrern, Hobbykickern, Weißweintrinkern und anderen bewegten Männer etwas Geistreiches zu lesen.