Len Wiseman hat den Science-Fiction-Klassiker erneut verfilmt. Er umtanzt das Original aber nur.

Stuttgart - Plötzlich, so lässt der Produzent Toby Jaffe wissen, hatte er im Buchladen eine Sammlung klassischer Kurzgeschichten von Philip K. Dick in der Hand, darin auch die Geschichte „We can remember it for you wholesale“, die 1990 unter dem Titel „Total Recall“ sehr erfolgreich verfilmt worden war. Jaffe erkannte, dass es Zeit für eine Neuverfilmung sei, und sprach darüber mit seinem Kollegen Neal H. Moritz. Der war von der Idee sehr angetan: „Wir hatten den Eindruck, dass die Figuren und die Geschichte von der ersten Verfilmung noch nicht auserzählt waren. Wir wollten eine frische Version schaffen.“

 

Nun ist „frisch“ ja ein relativer Begriff, und so hat sich die Neuverfilmung sogar noch weiter von der Originalgeschichte entfernt als der Film von 1990, aber vielleicht hilft es Jaffe und Moritz ja, dass Kinogänger heutzutage kein gutes Gedächtnis mehr haben. Wir aber erinnern uns. „Wenn ich nicht ich bin, wer bin ich denn?“ Niemand wusste diese existenzphilosophische Grundsatzfrage besser zu formulieren als Arnold Schwarzenegger mit seinem schwerzungigen Akzent. Er spielt 1990 den Arbeiter Doug Quaid, dem ein Erinnerungsimplantat erlaubt, sich den Wunsch einer Mars-Reise als Geheimagent zu erfüllen. Quaid erweist sich im Laufe des Films als mehrfach manipulierter Doppelagent in perfider Mission – und wird trotzdem am Schluss zum Befreier.

Ein Mann zwischen zwei Frauen

Verhoeven inszenierte das doppelbödige Gedankenspiel von Philip K. Dick als bewusst grobschlächtigen Cartoon, kombinierte drastisch überzeichnete Gewalt mit bösem Humor sowie kulturkritischen Untertönen – und war stolz darauf, dass bis zum Schluss nicht zweifelsfrei zu entscheiden war, ob sich Quaids Abenteuer nicht vielleicht doch nur in dessen Kopf abgespielt hatten. Gespannt sein durfte man auf das Remake des „Underworld“-Regisseurs Len Wiseman, denn die literarische Vorlage „Erinnerungen en gros“ (1966) birgt eine finale Alien-Pointe, die von Verhoeven komplett ignoriert worden war.

Doch Wiseman und sein Team von fünf Drehbuchautoren haben sich für ein nur leicht modifiziertes Remake des alten Films entschieden. Das Original wird in zentralen Motiven umtanzt, manche Szene zitiert, manch andere Szene gerade nicht zitiert – und nur zwei, drei entschiedene Änderungen an der Handlung werden vorgenommen. In Colin Farrell agiert jetzt ein „echter“ Schauspieler, der sowohl die Paranoia spielen und die furiose Action körperlich glaubwürdig bewältigen kann. Auch steht Quaid jetzt zwischen zwei gleichgewichteten Frauenfiguren, gespielt von Kate Beckinsale und Jessica Biel, die sich einen heftigen Cat Fight um Quaid liefern.

Wichtiger noch: Quaids Reise führt ihn nicht mehr zum Mars, sondern bleibt auf der von Kriegen weitgehend verwüsteten Erde, auf der es nur noch zwei Regionen zum Leben gibt. Zwischen der Megalopole „Vereinigte Föderation von Britannien“ (VfB) und dem Super-Slum Australien („The Colony“) verkehrt ein Fahrstuhl namens „The Fall“, der spektakulär quer durchs Erdinnere führt.

So wie Ridley Scott sich im Falle von „Prometheus“ bei Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“ bediente, so entwirft Wiseman „The Colony“ als deutliche Reverenz an Scotts Klassiker „Blade Runner“ oder Bessons „Das fünfte Element“, wobei es ihm vorzüglich darum geht, Räume zu schaffen, die mehrdimensionale Verfolgungsjagden erlauben. So spielt dieses kinetische Kino aufreizend mit den vertikalen und horizontalen Dynamiken, dass man sich wundert, warum die futuristischen Sets so liebevoll entworfen wurden, wenn sie doch bloß durch atemlose Action als Kulissen verheizt werden.

Stark unterforderte Schauspieler

Weil Wiseman ganz auf die stark beschleunigte Level-Dramaturgie eines Computerspiels setzt, tritt die Psycho-Thriller-Dimension des Stoffes in den Hintergrund. Die unterforderten Schauspieler sind zumeist damit beschäftigt, die Zähne zu fletschen, die Augen zu rollen und zu rennen, springen, hechten. Wenn Quaid schließlich einen verstörenden Einblick in die Komplexität seiner manipulierten Identität gewinnt, ist dieser Schock bereits durch eine Äußerung des Anführers des Widerstands abgefedert worden. Der hatte darauf hingewiesen, dass Erinnerung immer ein Konstrukt sei und nur das Handeln in der Gegenwart zähle. Ein solcher Satz unterläuft die kritisch-paranoide Substanz der Geschichte und beschädigt den Film so schwer, dass man am Ende nur noch schmunzelt.