Die WLB Esslingen holt das Vermächtnis des großen Reportes Tiziano Terzani erstmals auf die Bühne – und spart in dem Gespräch des Sohns mit dem todkranken Vater auch die hässlichen Seiten des Sterbens nicht aus.

Esslingen - Sterben ist mühsam. Sein Körper ist ein faulendes Wrack, das Tiziano Terzani, der seinen Frieden gemacht hat mit dem baldigen Krebstod, lieber gleich als später verlassen möchte. Wobei: Vorher möchte er seinem Sohn Folco sein Leben erzählen: Die Vita eines großen Journalisten, der an die Veränderung der Welt geglaubt hat, mit Verve und Herzblut über den Vietnamkrieg und als „Spiegel“-Korrespondent über die Öffnung Chinas berichtet hat. Dann hat sich der Junge aus Florenz, der sich aus ärmlichen Verhältnissen in die Champions League des Journalismus hochgearbeitet hat, von den Revolutionen und Kriegen dieser Welt abgewandt und der Auseinandersetzung mit dem Ich gestellt. Im Himalaya, in der fernöstlichen Spiritualität, hat er schließlich den Kampf gegen sein Ego gewonnen, so meint er. Ein Meister der Meditation ist der Reporter dabei nicht geworden, aber ein weiser alter Mann, das will er sein. „Die Gesellschaft verändern? Das geht nicht. Nur sich selbst kann man verändern.“ Die Arbeit am Ich, das ist das einzige, das Tiziano Terzani noch als sinnhaft anerkennt.

 

Zu sehen ist auch der körperliche Verfall

Das Buch, das Folco Terziano als Vermächtnis seines Vaters geschrieben hat, wurde zum Bestseller. Jetzt hat die Württembergische Landesbühne „Das Ende ist mein Anfang“ als Uraufführung auf die Bühne gebracht. Regisseur Jürgen Esser hat sich dabei nicht auf die philosophischen Auseinandersetzungen zwischen Vater und Sohn beschränkt. Peter Kaghanovitch als Tiziano Terzani zeigt auch den körperlichen Verfall, das Röcheln, die Schmerzen, das Leiden. Das Alter ist nichts für Feiglinge heißt es, das Sterben schon gar nicht. So ist das Gespräch zwischen Vater und Sohn kein fortlaufender Dialog, sondern die Darstellung eines langen und oft auch quälenden Abschieds vom Diesseits. Ein wirkliches Gespräch führen Folco (Felix Jeiter) und sein Papa ohnehin nicht: Dafür ist der große Journalist, der doch mit allem abgeschlossen haben will, immer noch zu sehr in seiner eigenen Eitelkeit gefangen. Er zeigt nur selten wirkliches Interesse an seinem Sohn, sondern legt vor allem Wert auf ihn als Bediener des Aufnahmegeräts, mit dem die Schnurren eines weitgereisten Reporters und seine letzte Sicht auf die Dinge festgehalten werden sollen. „Wenn du nicht mehr der große Journalist bist, wenn der Tod dir das alles nimmt, dann ist das schrecklich“, sagt Vater Tiziano auf dem Sofa gekrümmt einmal. Er wehrt sich auf seine Art dagegen.

Erdrückende Dominanz

Dass Felix Jeiter dem eher undankbaren Part des fragenden Stichwortgebers feine Nuancen abringt, wenn er etwa mit einem nur kurzen Auflachen die Widersprüche des Vaters kommentiert, gehört zu den Stärken des Abends. Dass dazu allerdings sein Gesicht per Videoübertragung auf die Bühnenwand projieziert wird, ist ein unnötiger technischer Firlefanz – noch dazu, weil diese Wand keine ist, sondern aus Lamellen besteht, die kein scharfes Bild widergeben. Der Sohn, von dem der Vater nur allzu gut weiß, dass er ihn mit seiner Dominanz schier erdrückt hat, begehrt an einer Stelle auch heftig auf. „Ich hör dir zu, wie du mir dein Leben erzählst - erzähle du mir nicht, wie ich meines leben soll!“, wirft Folco seinem Vater an den Kopf.

Doch letztendlich ist nicht der Vater-Sohn-Konflikt das tragende Thema des Abends, sondern das Testament eines der Großen seiner Zunft: „Objektivität – so ein Quatsch. Wer behauptet objektiv zu sein, der lügt“, ist Tiziano überzeugt. „Die Wahrheit liegt hinter den Fakten.“ Solche Sätze wiegen schwer und Peter Kaghanovitch verkörpert ihre Wucht mit großer Präsenz. „Vieles bin ich gewesen – doch am Ende bin ich nichts“, ist auch so ein Satz, der noch nachklingt, nachdem die zwei Stunden Theater vorbei sind. Allerdings: Die Monologe, die Kaghanovitch als Vater seinem Sohn ins Mikro diktiert, erscheinen oft sehr abstrakt, doziert wie vom Lehrpult. Der Sohn als Sterbebegleiter, das ist an sich eine sehr intime Situation, die jedoch untergeht zwischen den wortreichen philosophischen Gedanken über Leben, Sterben und Loslassen.

Termine: 27. September, 7. und 17. Oktober, Kartentelefon: 0711 35 12 30 12