Im Zahnradbahngespräch spricht Sean Dundee über seine wechselvolle Fußball-Karriere zwischen Deutschland und Südafrika, seine Turbo-Einbürgerung und über knapp verpasste Erfolge. Und über eigene Fehler.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - So unkompliziert ist bisher noch kein Zacke-Anbahnungsgespräch verlaufen. „Das trifft sich gut, morgen wollte ich sowieso nach Stuttgart kommen. Wir sehen uns um 14 Uhr auf dem Marienplatz“, sagt Sean Dundee am Telefon.

 

Einen Tag später fährt ein SUV mit Karlsruher Kennzeichen eine Viertelstunde früher als verabredet in der Böblinger Straße vor. Es steigt aber nicht nur der ehemalige Bundesliga-Stürmer des Karlsruher SC und des VfB Stuttgart aus. Überraschung: Seine Freundin Nathalie und die vier Monate alte gemeinsame Tochter Hailie – Sean Dundees Kind Nummer fünf von Frau Nummer vier – sind auch dabei und machen das Gespräch in der Zahnradbahn diesmal zu einem Familienausflug. „Danach wollen wir noch in die Stadt, ein Kleid für die Hochzeit kaufen“, sagt Sean Dundee und ergänzt, dass es sich nicht um die eigene Trauung handeln würde, sondern um die eines befreundeten Paares. „Aber wir wollen dieses Jahr auch noch heiraten“, sagt Frau Dundee in spe.

Dann wäre die private Situation ja geklärt, die bei Sean Dundee früher regelmäßig öffentlich gemacht wurde – nachdem er Mitte der neunziger Jahre diesbezüglich auffällig geworden war, als seine damalige 17 Jahre alte Freundin ein Kind von ihm erwartete. Schwangerschaft, Geburt und schnelle Trennung wurden in den Boulevardmedien detailliert ausgebreitet – quasi live vom Wochenbett. „Die ,Bild‘ hatte damals für mich sogar einen eigenen Journalisten abgestellt, der mich auf Schritt und Tritt verfolgt hat“, erzählt Dundee, der damals – mit 22 Jahren – nicht besonders reif wirkte und völlig unvorbereitet im Showgeschäft Bundesliga gelandet war. „Jetzt pass’ ich auf ihn auf“, sagt Freundin Nathalie, was Sean Dundee mit einem Lächeln vernimmt, das den 43-Jährigen jünger wirken lässt.

Englischlehrer für Thomas Tuchel

Den Kinderwagen in die Zahnradbahn gehoben, eine Vierersitzgruppe ergattert – jetzt kann die Fahrt losgehen. „Da hinten im Marienhospital bin ich geboren“, sagt Nathalie, deren Eltern aus der Karibik stammen und die mit ihrer Mutter früh von Stuttgart nach Karlsruhe gezogen ist. Das passt zu Sean Dundee, der mit seiner Kleinfamilie in Karlsruhe wohnt, sich aber auch in Stuttgart zu Hause fühlt. Dorthin war Dundee 1992 als 19-Jähriger aus Durban in Südafrika gekommen, um seinen Traum vom Profileben in Europa zu verwirklichen. Bei den Stuttgarter Kickers, die damals in der zweiten Liga spielten, lief es für den Stürmer zunächst aber nicht rund. „Als ich im Winter auf das Thermometer geschaut habe und es zwölf Grad unter null anzeigte, war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich hier richtig bin.“ Doch Sean Dundee wollte nicht zu den vielen talentierten südafrikanischen Fußballern gehören, die mit großen Tönen nach Europa aufbrechen und nur kurze Zeit später wieder kleinlaut zurückkehren. Sein Team- und Zimmer-Kollege bei den Kickers redete ihm gut zu. Das war Thomas Tuchel. „Ich habe ihm im Gegenzug geholfen, sein Englisch zu verbessern. Wir haben deshalb nie Deutsch miteinander gesprochen.“

Sean Dundee wechselte von den Kickers in die dritte Liga nach Ditzingen, um dort richtig durchzustarten. Er erzielte Tor um Tor und wurde 1995 vom Erstligisten Karlsruher SC verpflichtet. Womit es jetzt in der Zahnradbahn Richtung Höhepunkte geht. Vorher macht die kleine Hailie an der Haltestelle Wielandshöhe aber erst noch ein Bäuerchen.

Der KSC war zu dieser Zeit eine der besten Adressen im deutschen Fußball, was ein kleiner Auszug aus dem damaligen Kader unterstreicht: Slaven Bilic, Dirk Schuster, Michael Tarnat, Thomas Häßler, Thorsten Fink, Edgar Schmitt und Sergej Kirjakow hießen die hochkarätigen Stützpfeiler der Mannschaft des Trainers Winfried Schäfer. Dennoch setzte sich Sean Dundee durch und traf so regelmäßig, dass er vor dem letzten Spieltag der Saison 1995/96 in der Torschützenliste gleichauf lag mit den VfB-Stürmern Fredi Bobic und Giovane Elber. Alle drei hatten jeweils 15 Tore auf dem Konto. Die Entscheidung brachte die abschließende Partie zwischen dem VfB und dem KSC in Stuttgart. Bobic brachte den VfB in Führung, Dundee glich aus, Elber erhöhte auf 2:1, so dass bei Halbzeit wieder Gleichstand herrschte in diesem Privatduell – 16:16:16. Fredi Bobic traf in der 71. Minute zum 3:1-Endstand, kickte den KSC aus den Uefa-Cup-Plätzen und holte sich mit 17 Toren die Torjägerkanone.

Ein politischer Doppelpass ohne Abschluss

Das ist jetzt nicht die ganz große Geschichte, dennoch hat sie viel mit der Karriere von Sean Dundee zu tun. Denn in der Folgezeit verpasste er häufig große Ziele nur ganz knapp. Eine Woche später verlor Dundee mit dem KSC gegen den gerade abgestiegenen 1. FC Kaiserslautern auch noch das Pokalfinale mit 0:1. „Bei mir ist der Übergang zwischen Höhepunkten und Tiefpunkten fließend“, sagt Sean Dundee, als die Zahnradbahn den Wendepunkt in Degerloch erreicht. So ist dann auch die Talfahrt eine Mischung aus Aufs und Abs. Sean Dundee erzielt in der Saison 1996/97 sogar 17 Tore, was diesmal Platz vier in der Torschützenliste bedeutet. Und er wird per Eilverfahren deutscher Staatsbürger, nachdem er sich zuvor eine taktische Verletzung im Kreis der südafrikanischen Nationalmannschaft zugezogen hat. Er soll eigentlich erstmals für sein Heimatland spielen. Dagegen spricht dann aber plötzlich, dass er sich unter dem Nationaltrainer Clive Barker nicht wohlfühlt und ihm im südafrikanischen Mannschaftshotel von Winfried Schäfer mitgeteilt wird, dass er sich mit einem Einsatz die Chance auf mögliche Berufungen in der DFB-Auswahl verbauen würde. Der Bundestrainer Berti Vogts ist nämlich begeistert von der körperbetonten Spielweise Dundees. So kommt es zum Doppelpass mit der Politik und zur Turbo-Einbürgerung des damals 24-Jährigen.

Vor dem folgenden Länderspiel des deutschen Teams gegen Israel legt sich Vogts gleich fest: Dundee spielt. Wäre da nicht wieder eine Bundesliga-Partie beim VfB dazwischengekommen. Am 27. Februar 1997 bekommt Dundee von Thomas Berthold einen Tritt in die Wade. Er muss operiert werden – und wird nie ein Länderspiel machen. Der Fast-Torschützenkönig und Fast-Pokalsieger ist jetzt auch noch Fast-Nationalspieler. „Schon bitter“, sagt Dundee, der sich dann aber gleich selbst aufbaut: „Ich hatte trotzdem eine tolle Zeit als Fußballer.“

Er weiß heute aber auch, dass diese Zeit erfolgreicher hätte verlaufen können. „Ich war immer der Erste, der vom Trainingsplatz gegangen ist, mir hat der letzte Biss gefehlt, ich habe alles etwas zu locker genommen. Ich habe Fehler gemacht.“ Diese Selbsterkenntnis soll nun anderen zugutekommen. In Karlsruhe betreibt Sean Dundee mittlerweile eine Fußballschule.

Seinen Spielern erzählt er auch von Beratern, die weniger das Wohl des Klienten und mehr das eigene finanzielle Interesse im Blick haben. So landet Dundee nach dem Abstieg des KSC 1998 beim FC Liverpool. „Fußballerisch eine verlorene Zeit“, so Dundee, der lediglich dreimal in der Premier League zum Einsatz kommt. Es folgt der Wechsel zum VfB, für den er zwischen 1999 und 2003 spielt. Er nennt es „mit die schönste Zeit in meiner Karriere“. Er spielt gut in Stuttgart, aber nicht mehr so überragend wie in Karlsruhe, weil ihn ständig Verletzungen zurückwerfen. Vor allem die Zeit unter dem Trainer Felix Magath ist ihm lebhaft in Erinnerung geblieben. „Ich habe ihn mal gefragt, warum er immer so streng mit mir rede, ob er etwas gegen mich habe. Magath sagte mir, dass das eher ein gutes Zeichen sei, Sorgen müsse man sich bei ihm erst machen, wenn er gar nicht mehr mit einem spreche.“

Die schöne Zeit beim VfB

Dundee wechselt zu Austria Wien, kehrt zum KSC zurück in die zweite Liga, spielt noch für die Offenbacher und die Stuttgarter Kickers, ehe er 2008 Richtung Südafrika aufbricht. Davon erzählt er nach der Zacke-Ankunft am Marienplatz. Weil Familie Dundee ein rustikales Hüngerchen verspürt, geht es diesmal zur Abwechslung nicht ins Café Kaiserbau, sondern gleich nebenan in die Pizzeria L. A. Signorina.

Nach Südafrika zieht es Sean Dundee 2008. Dort heuert er beim Erstligisten AmaZulu FC an, dessen Trainer dann dummerweise Clive Barker ist. Der lässt ihn schnell spüren, was er von dessen Entscheidung 1997 für Deutschland und gegen Südafrika gehalten hat. Dundee kommt nur viermal zum Einsatz und beendet seine Profikarriere.

Er bleibt zunächst in Südafrika, um vom Fußballboom, den die WM am Kap verspricht, zu profitieren. Er arbeitet als Fernsehexperte. Die Euphorie dort ebbt nach dem Turnier aber auch ganz schnell wieder ab, und er kehrt nach Deutschland zurück. „Hier fühle ich mich einfach verdammt wohl“ sagt Sean Dundee, während er seiner kleinen Tochter Milch aus dem Fläschchen gibt. Und mit dem nächsten Bäuerchen ist das Zacke-Gespräch beendet.