Die Großen der Internet- und Telekombranche, unter anderem der Google-Chef Eric Schmidt, kritisieren die US-Geheimdienste für deren Schnüffeleien. Doch in der Vergangenheit haben sie sich beim Thema Privatsphäre weniger sensibel gezeigt.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Auch die neueste NSA-Enthüllung dürfte Google nicht gefallen. Die „Washington Post“ hat am Mittwoch gemeldet, dass der US-Geheimdienst von dem Suchmaschinenanbieter entwickelte, sogenannte Cookies benutzt hat, um das Internetverhalten von Nutzern protokollieren zu können. Ob Google hier kooperiert hat, ist bis jetzt unklar.

 

Aber das kleine Beispiel belegt die Bredouille, in der nicht nur die US-Internetanbieter stecken. Wie die Zauberlehrlinge müssen sie zuschauen, wie Technologien, die sie über Jahre hinweg zum Datensammeln entwickelt haben, nun vom Staat eingesetzt werden – oft ohne Wissen der betroffenen Firmen. Eine Allianz großer US-Internetanbieter verlangt deshalb einen stärkeren Schutz vor staatlichem Zugriff.

Nutzernamen sind nicht immer nötig

Doch man muss genauer hinsehen, was konkret verlangt wird. Die Firmen fordern keinen generell verschärften Datenschutz. Gegen entsprechende Ansinnen der EU beispielsweise werden sich Google und Co. in Brüssel weiter mit Zähnen und Klauen wehren. Sie fordern vielmehr Zurückhaltung von den Staaten. Verbote oder drastische Einschränkungen für ihre eigene Datensammelei wären für ihre Geschäftsmodelle verheerend. Es geht weniger um Bürgerrechte, sondern sozusagen um Eigentumsrechte – also um die Frage, wem die bei der Nutzung der Angebote von Apple, Facebook, Google und Twitter anfallenden Daten gehören. Diese Firmen interessieren sich meist für andere digitale Spuren, als sie Geheimdienste im Visier haben. Ihnen genügen oft konsum- und werberelevante Aspekte. Nutzernamen beispielsweise sind nicht immer nötig, so lange man den Computer kennt, der mit Werbebotschaften bombardiert werden soll. Nur mit dieser Relativierung erscheint das nun laut artikulierte Interesse am Schutz der Privatsphäre glaubwürdig.

Dennoch bleibt der Eindruck, als hätten da einige Böcke ihre Berufung zum Gärtner entdeckt. Man braucht nur Zitate von Google-Verwaltungsratschef Eric Schmidt über die Jahre zu verfolgen, um zu erkennen, dass Datenschutz nicht in der DNA von Google programmiert ist. „Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht ohnehin nicht tun“, sagte Schmidt Ende 2009. Ein anderes, aus heutiger Sicht entlarvendes Zitat stammt aus dem Jahr 2010: „Wir wissen, wo du bist, wir wissen, wo du warst. Wir können mehr oder weniger wissen, was du gerade denkst“, sagte er über Googles analytische Fähigkeiten.

Die Konzerne selbst haben die Datenmine Internet erschlossen

Es war Google, der als erster Anbieter die Mails auf seinen Servern nach potenziell werberelevanten Stichworten gescannt hat. Seit Oktober läuft in San Francisco ein Gerichtsprozess, bei dem es um die Frage geht, ob diese 2004 begonnene Praxis überhaupt legal ist. Es ist Apple, das sich gerade erst für 200 Millionen Dollar den Twitter-Analysedienst Topsy gekauft hat. Einzige Aufgabe: Millionen von Kurznachrichten auszuwerten. „Big Data“, also die Fähigkeit in der Masse der Internetdaten Strukturen und Informationen zu entdecken, ist keine Erfindung der Geheimdienste. Der Hunger nach Daten war von Anfang an der Antrieb, der die Kostenlos-Kultur im Internet überhaupt erst möglich gemacht hat.

Wie dicht das Geflecht aus geschäftlichen Interessen und angeblichen Datenschutzbedenken häufig ist, dafür liefert die Deutsche Telekom ein Beispiel. Der scheidende Telekom-Chef René Obermann ist gerade wieder mit einem Interview an die Öffentlichkeit getreten, in dem er sozusagen einen Aufstand der Demokraten fordert: „Ich verstehe die Leisetreterei nicht“, sagte Obermann dem „Handelsblatt“: „Europa könnte die gemeinsamen Regeln durchaus einmal nach außen tragen.“ In Europa ist die Telekom ein Platzhirsch.

Und so war auch der im vergangenen Sommer schlagzeilenträchtige Vorschlag, eine E-Mail „made in Germany“ zu etablieren, nicht uneigennützig. Einerseits könnte dies die auch in Deutschland konkurrierenden US-Mail-Anbieter wie Google oder Yahoo in Schach halten. Andererseits wäre für die Telekom auch attraktiv, dass ihr Netz sich als Rückgrat eines solchen innerdeutschen oder innereuropäischen Datenverkehrs perfekt anbietet. E-Mail-Anbieter, die bisher den großen Frankfurter Datenknoten De-Cix außerhalb des Telekom-Netzes nutzen, reagierten deshalb vergrätzt. Der Vorstoß der Telekom sei „öffentlichkeitswirksame Augenwischerei und der Versuch, ihr altes Monopol in Deutschland de facto wieder herzustellen“, sagt Harald Summa, der Geschäftsführer der De-Cix-Plattform.