Verkehrsminister Scheuer dringt auf ein besseres Management der Bahn-Baustellen. Damit sollen die vielen Verspätungen bekämpft werden.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Krise der Deutschen Bahn wird die Bundesregierung in den nächsten Monaten intensiv beschäftigten. Schon für diesen Donnerstag hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die DB-Spitze erneut für 7 Uhr morgens zu Gesprächen in seine Behörde bestellt. Zudem werde er mit dem Wirtschafts- und Finanzministerium sowie den Haushaltspolitikern des Deutschen Bundestags über den Finanzbedarf des größten Staatskonzerns sprechen, kündigte der Ressortchef in Berlin an.

 

Zuvor hatte Scheuer mit DB-Chef Lutz, dessen Vize Ronald Pofalla und Finanzchef Alexander Doll in einer knapp zweistündigen Sitzung am frühen Morgen die Lage des Konzerns beraten. Es gehe vor allem um schnelle Verbesserungen im Interesse der Kunden, aber auch um positive Perspektiven für die rund 200 000 DB-Beschäftigten in Deutschland, betonte der Minister. Ziel seien sichtbare Fortschritte im ersten Halbjahr. „Es wird zu wenig über die positiven Entwicklungen bei der Bahn geredet“, erklärte Scheuer. Die Investitionen in die Schienen-Infrastruktur seien auf Rekordhöhe: „Noch nie gab es so viel Geld im System Bahn.“ Zudem sei bereits bei den Strategietreffen im November und der Aufsichtsratssitzung am 12. Dezember „ein Bündel von Maßnahmen“ fixiert worden. Es gehe darum, die Bahn zur „Bürgerbahn“ zu machen.

Spekulationen über die Ablösung von Bahn-Chef Lutz

An dem Treffen nahmen auch Abgeordnete der Koalitionsparteien teil. Scheuers Staatssekretäre von der CDU äußerten sich nach der Sitzung kritischer als ihr Minister. „Es könnte noch ein bisschen konkreter werden“, wurde der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Bilger zitiert. Der Bahn-Beauftragte der Regierung, Enak Ferlemann, erklärte gegenüber Nachrichtenagenturen, er sei „nicht zufrieden“ mit den Erläuterungen der DB-Spitze.

Auch von der Opposition kommt Kritik. „Die Ergebnisse dieses Treffens sind angesichts der schwierigen Lage der Bahn sehr dürftig“, sagte der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, unserer Redaktion. Die Bahn und die Verkehrspolitik bräuchten einen Neustart: „Das Problem ist weniger die DB-Spitze als vielmehr das fehlende Mobilitätskonzept dieser Regierung.“ Die Verbraucherzentralen forderten Erleichterungen für Bahnkunden bei Entschädigungen für unpünktliche oder ausgefallene Züge.

Bahnchef Lutz könnte nach Einschätzung vieler Beobachter seinen Posten verlieren, wenn der Konzern die vielen Probleme vor allem mit den massiven Verspätungen und andere operative Defizite nicht rasch in den Griff bekommt. Sein Vize, der frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU), wird als möglicher Nachfolger gehandelt und soll laut unbestätigten Medienberichten federführend als „Krisenmanager“ tätig werden.

Viele ICE haben Verspätung

Laut Scheuer soll vor allem das Baustellen-Management im bundeseigenen Schienennetz weiter verbessert werden. „Das System Schiene ist an der Kapazitätsgrenze“, betont der Minister. Wegen der Rekordinvestitionen gebe es viele Baumaßnahmen, die den Zugverkehr einschränken und zu Verspätungen führen. Zudem seien Strecken wie Köln-Dortmund chronisch überlastet. Deshalb sollen in „Plankorridoren“ wie Köln-Dortmund, Fulda-Mannheim, Würzburg-Nürnberg und rund um Hamburg alle Maßnahmen besser abgestimmt und Engpässe möglichst schnell behoben werden. Dafür werde man zusätzliche 100 Millionen Euro bereitstellen, sagte Scheuer.

Die Bahn habe große Chancen durch die Digitalisierung im Verkehr, sagte Scheuer weiter. So sei die neue Schnellstrecke Berlin-München mit neuer Technik ausgestattet und dort seien fast 90 Prozent der Fernzüge pünktlich. Bundesweit kommt, wie berichtet, jeder vierte ICE mit mindestens sechs Minuten Verspätung – und oft deutlich mehr – ans Ziel. Die Kapazität im Schienennetz könne allein durch digitale Leittechnik um bis zu 40 Prozent erhöht werden, so der Minister. Er ließ allerdings unerwähnt, dass dafür sehr hohe Investitionen nötig sind. Allein die bundesweite Einführung des neuen Zugkontrollsystems ETCS wird von Experten auf rund 30 Milliarden Euro veranschlagt.

Der Verkauf der DB-Auslandstochter Arriva zur Linderung der Finanznot der Bahn war beim Treffen laut Scheuer kein Thema. Wie berichtet braucht Bahn-Chef Lutz zur Umsetzung seiner „Agenda für eine bessere Bahn“ knapp fünf Milliarden Euro. Der Verkauf von Arriva könnte bis zu vier Milliarden Euro bringen, heißt es in Bahnkreisen. Aufsichtsrat und Regierung sind sich aber uneins.