Im Berufsverkehr bewegt sich im Synergiepark nicht viel. Mitarbeiter und Chefs bei Lapp, Scharr, Dekra und Kohlhammer sind frustriert. Und die Allianz-Ansiedlung werde das Problem noch verschärfen.

Vaihingen/Möhringen - Es geschieht nicht oft, dass in einem Unternehmen Unterschriftenlisten herumgereicht werden, die ans Rathaus geschickt werden. Bei Lapp Kabel war das Maß aber wohl voll. Jedenfalls setzten 457 Mitarbeiter ihre Namen unter ein Papier, in dem sie eine Verbesserung der Verkehrssituation vor Ort fordern.

 

Die Stadt bremse das Industriegebiet aus und behindere die Erreichbarkeit des Gebiets nachhaltig, hieß es in dem Schreiben, dass Ende Januar verschickt wurde. Gefordert wurde ein intelligentes Verkehrskonzept. Die Antwort des Oberbürgermeisters Fritz Kuhn kam prompt. „Die Problematik der Erreichbarkeit des Gewerbegebiets sowie die verkehrlichen Behinderungen innerhalb des Synergieparks sind mir bewusst und ich nehme sie sehr ernst“, schrieb der Rathauschef Ende Februar.

Die Mitarbeiter von Lapp haben die Nase voll

Was Mitarbeiter wie Firmenchefs in Stuttgarts größtem Gewerbegebiet so ärgert, lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: Dauerstau. Morgens und abends stehen die Autos Stoßstange an Stoßstange, und wenn es ganz übel kommt, dauert es eine Stunde, um über die Nord-Süd-Straße auf die Autobahn zu kommen.

„Die Mitarbeiter haben die Nase voll“, sagt Siegbert Lapp, dessen Unternehmen an der Schulze-Delitzsch-Straße und Umgebung rund 1000 Menschen beschäftigt. Inzwischen „haben wir im Durchschnitt zwei bis vier Mitarbeiter im Jahr, die deswegen kündigen“.

Vor allem die Mitarbeiter, die aus Richtung Tübingen kommen, würden viel Zeit auf der Straße verlieren. „Nicht jeder kann mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren“, sagt Lapp. Zwar erwartet er einen positiven Effekt, nachdem die neue Stadtbahn nach Dürrlewang im Mai eröffnet ist. Aber „die U 12 kann das nicht alles abfedern“. Letztlich könne nur ein Ausbau von Straßen helfen. Doch zeigt er sich skeptisch. „Wir werden zwar im Rathaus gehört, ich glaube aber nicht, dass das in die Politik einfließt. Ich gehe davon aus, dass meine Mitarbeiter auch noch in fünf Jahren im Stau stehen.“

Die Allianz-Ansiedlung führt zu noch mehr Verkehr

Lapp ist mit seiner Meinung nicht allein. „Die Straßen sind eng, dann wurden in der Schulze-Delitzsch-Straße diese Bäume als Ausgleichsmaßnahme gepflanzt, und es gibt einfach keine Parkplätze“, sagt Karin Knecht, die Personalleiterin beim Kohlhammer Verlag mit am dortigen Standort rund 180 Mitarbeitern ist. „Wenn wir Bewerbungsgespräche führen oder Termine haben, kommen die Leute meist zu spät“, sagt sie. „Abends haben wir ein echtes Problem, aus dem Gewerbegebiet herauszukommen.“ Und wenn die Allianz erst einmal baut, „dann geht gar nichts mehr“.

Wie nämlich vor Kurzem bekannt wurde, hat der Versicherungskonzern Allianz Großes vor im Synergiepark. Auf dem Gelände des Sportvereins TSV Georgii Allianz sollen mehrere Stuttgarter Standorte zusammengefasst werden. Die Rede ist von bis zu 4000 Mitarbeitern, die in fünf Jahren an die Heßbrühlstraße ziehen könnten.

Derzeit arbeiten im gesamten Gewerbegebiet wohl an die 22 000 Menschen, und die örtliche Wirtschafts- und Industrievereinigung (WIV) geht davon aus, dass es in einigen Jahren 30 000 sein könnten. Das war aber noch vor der Allianz-Ankündigung.

Auch Dekra und Scharr äußern ihren Unmut

„Der Vorstand der Dekra ist nicht zufrieden mit der Situation“, sagt Wolfgang Sigloch, der Pressesprecher der Prüfgesellschaft, die ihren Hauptsitz mit mehr als 1000 Angestellten an der Handwerkstraße hat. „Die Verkehrs- und Parkplatzsituation sorgt dafür, dass bei den Mitarbeitern Unzufriedenheit entsteht.“ Ihm ist nicht bekannt, ob es dadurch zu Kündigungen gekommen ist oder es dadurch schwieriger ist, Mitarbeiter zu gewinnen. Aber „das ist natürlich ein Problem für den Standort“.

Auch die Stadt geht davon aus, dass der Synergiepark wachsen wird. So erfasst die Verwaltung in der Zeitstufenliste Gewerbe die Flächen, die noch für die gewerbliche Nutzung nachverdichtet werden können – ähnlich wie das auch beim Wohnungsbau der Fall ist. Die Zahlen stammen zwar aus dem Jahr 2014. Doch errechneten die Planer ein Flächenpotenzial von 23,3 Hektar, was in etwa 30 Fußballfeldern entspricht. Teils handelt es sich dabei um Brachen, teils um alte Gebäude, die in Zukunft abgerissen werden können.

„Die Verkehrssituation ist eine sehr schwierige, und durch die Allianz-Ansiedlung wird sie, wenn nichts getan wird, nicht besser“, sagt auch Rainer Scharr, der Geschäftsführer des gleichnamigen und unter anderem Heizöl verkaufenden Familienunternehmens. Scharr beschäftigt an zwei Standorten im Synergiepark rund 350 Mitarbeiter. Hinzu kommen noch mehrere hundert Fahrten am Tag von Montagefahrzeugen, Tanklastern oder Lieferanten.

Der Oberbürgermeister Fritz Kuhn will Vorschläge prüfen

„Als Handelsunternehmen ist die Logistik für uns sehr wichtig“, sagt der Geschäftsführer. „Durch die Staus werden Liefertermine unkalkulierbar. Und der Kunde, der auf sein Heizöl wartet, hat dafür nicht unbedingt Verständnis.“

Die Verlängerung der Stadtbahn U 12, der Meinung ist auch Scharr, wird das grundsätzliche Problem nicht lösen. Aber zumindest wird der Verkehr wieder etwas besser fließen können, wenn die damit einhergehenden Baustellen erst einmal fertig sind. Dennoch formuliert er eine klare Forderung in Richtung Rathaus. „Die Stadt ist in der Pflicht, hier etwas zu tun.“

Die WIV hat jüngst übrigens ein Gutachten erstellen lassen, um Bewegung in den stockenden Berufsverkehr zu bringen. Die Gutachter von SSP-Consult schlagen darin ein Bündel an Maßnahmen vor: von veränderten Ampelschaltungen über neu gestaltete Kreuzungen bis zu Parkhäusern, einem Shuttle Service und einer neuen Autobahn-Auffahrt.

Das Papier wurde Anfang Februar der Rathausspitze präsentiert. Was Kuhn denn auch zum Anlass nahm, um die 457 unterschreibenden Lapp-Mitarbeiter zu besänftigen. „Ich habe die Verwaltung beauftragt, diese Vorschläge nun zu prüfen und, soweit sie sinnvoll und finanzierbar sind, umzusetzen“, schrieb der OB in seiner Antwort.