Weltweit übertrugen die Medien David Camerons Abschiedspfiff vom Amt des Premierminister und von Downing Street 10. Aber was genau hat er da eigentlich gepfiffen? Wagner oder Wahnsinn?

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

London - Mit ein paar Noten – Beethovens Fünfte! – kann man weltberühmt werden, vor allem, wenn einem aufrüttelnden Anfang inhaltlich noch Bewegendes folgt. Davon kann im Falle des Gelegenheitskünstlers und britischen Ex-Premiers David Cameron vorerst nicht die Rede sein. Aber jedenfalls haben eine Handvoll gesungene bis gebrummte Töne nach seiner Abschiedserklärung auf dem Weg zur Tür von Downing Street No. 10 aufgefangen – ein zweigestrichenes E, ein kurz gehaltenes A und ein merkwürdiges Es plus die gesprochene Anmerkung: Right!, also Akklamation in eigener Sache – dafür gesorgt, dass sich namentlich Musiker fragen: Was wollte er uns sagen und singen? Beziehungsweise: Was fangen wir damit an?

 

Die wunderbare venezolanische Pianistin und Improvisationskünstlerin Gabriela Montero hat, mit einer leichten Korrektur, die Vorlage so eingerichtet, dass sich das Minimalthema als Fuge in Bachscher Manier vernehmen lässt. (Hier geht’s zum Video). Fast mechanisierte Achtel treffen die Situation des Regierungswechselns womöglich ganz gut, während der genuin englische Komponistenkollege Thomas Hewitt sich eher in der Manier von Edward Elgar zu einer Fantasie für Cello und Klavier inspiriert fand. Da ist dann am Ende sogar ein bisschen Thomas Augustine Arne dabei: „Britannia, rule!“ Wenn auch nun nicht mehr mit dem Flötisten Cameron vorneweg.

Bleibt dieser A-Es-Sprung. Mögliche Spuren führen hinein in Richard Wagners „Ring“, wo es im Weltenhort-Thema („Siegfried, 3. Aufzug) Ähnliches gibt. Allerdings mit einem As und umgedreht. Vereinzelt werden Analogien mit der „Tannhäuser“-Ouvertüre genannt. Plausibler vielleicht erscheint der Hinweis auf eine thematisch verwandte Stelle in Dmtri Schostakowitschs Fünfter Sinfonie, mit der Schostakowitsch insgesamt den Musikkritiker Josef Stalin besänftigte, der in der „Prawda“ zuvor über die Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ hatte schreiben lassen, man höre „Chaos statt Musik“. In der Fünften versuchte Schostakowitsch zu zeigen, dass er „schlichter und zugänglicher geworden“ sei. Er politisierte nicht. Er pfiff.

Übrig bleibt eine letzte, natürlich verwegene Theorie, demnach dieses nicht im Einklang stehende, eigentlich isolierte Es womöglich ein Hinweis gewesen ist auf das vor drei Tagen noch ausgeschlossen erscheinende Heraufdämmern des neuen Außenministers Boris Johnson, Camerons ewigem Rivalen. Demnach wäre der vormalige MP so weise wie Wagners Erda. Einer zukünftigen Karriere – in welch schwerem gepfiffenen Fach auch immer – stünde demnach nichts mehr im Wege.