Der frühere Pink-Floyd-Gitarrist David Gilmour verzaubert als Stargast der Jazz-Open den Stuttgarter Schlossplatz

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Mehr Vorfreude hat in der – man darf’s bei der nunmehr 23. Auflage des Stuttgarter Festivals wohl sagen – Geschichte des Festivals Jazz-Open noch kein Künstler hervorgerufen. Gerade einmal sechs Minuten hat es gedauert, dann waren im Vorverkauf alle 5700 Tickets vergriffen. Es ist eins von nur zwei Konzerten in Deutschland auf der aktuellen Tournee des soeben siebzig Jahre alt gewordenen, begnadeten Musikers, der sich seit langem rar macht, sowohl was seine Veröffentlichungen wie auch seine Liveauftritte betrifft. Etwas ältere Semester werden sich noch an das Pink-Floyd-Konzert 1989 im Neckarstadion erinnern, aber seit seiner letzten Tournee vor zehn Jahren bis zur aktuellen Tour hat er lediglich vier Solokonzerte gegeben.

 

Ehre wem Ehre gebührt, weswegen das Konzert am Donnerstagabend im Ehrenhof des Neuen Schlosses auf Wunsch des Künstlers auf zwanzig Uhr verschoben wurde, um in die Dunkelheit hineinspielen zu können. Punkt zwanzig Uhr betritt er die Bühne und überrascht mit seiner Dramaturgie. Gilmour spielt 22 Songs, davon dreizehn Pink-Floyd-Lieder, sieben der zehn Stücke seines neuen Albums „Rattle that Lock“ und zwei Nummern von seinem vorletzten Soloalbum, dem 2006 erschienenen „On an Island“. Es sind dies das titelgebende Stück sowie das auf diesem Album direkt folgende „The Blue“, jeweils eins von ihnen hat er in der Mitte der beiden Sets platziert. Den Auftakt bestreitet er mit den ersten drei Songs von „Rattle that Lock“ in albumgetreuer Folge, die restlichen neuen Stücke kommen jeweils gegen Ende der beiden Konzerthälften. Kein einziges Stück von seinen anderen beiden Soloalben gibt es zu hören, dominiert wird dieser Abend eindeutig von Pink-Floyd-Songs.

Zwei Kracher kurz vor Ende

Gilmour weicht also vom angekündigten Plan ab, eine Hälfte mit einem Querschnitt durch seine Soloalben und die andere Hälfte mit Material seiner Ex-Band zu bestreiten. Dessen Abfolge ist ihrem Hitpotenzial gemäß sorgsam über das Konzert verteilt – dafür ist der alte Hase natürlich Profi genug. Zwei der ganz großen Kracher kommen kurz vor Ende der ersten Halbzeit als Doppelpack, „Wish you were here“, fast identisch mit der Originaleinspielung vorgebracht, und „Money“, deutlich saitenverspielter, mit einer ausführlichen Saxofoneinlage des brasilianischen Mitmusikers Joao Mello gewürzt und in einem Fade-out sanft verwehend, so, wie es sich keiner seiner zahllosen Jünger nachzuspielen getraut hätte. Die zweite Hälfte beginnt mit der unter Volldampf vorgebrachten steinalten Floyd-Nummer „One of these Days“, es folgen die ersten vier der neun Teile von „Shine on you crazy Diamond“, mit zwölf Minuten das längste Stück eines mit langen Stücken reich gesegneten, sehr ausufernden Abends. Am Ende des Auftritts kommt schließlich „Run like Hell“, ehe die Zugabe mit dem letzten Übererfolg „Comfortably Numb“ ausklingt.

23 Uhr und neun Minuten zeigt die Uhr zu diesem Zeitpunkt an; Gilmour hat sein Versprechen einer Drei-Stunden-Show wahrgemacht. Der Slogan Value for Money, dem angesichts der bei neunzig Euro beginnenden Eintrittspreise eine doppelte Bedeutung innewohnt, wird eingelöst. Manch einer hätte vermutlich noch stundenlang zuhören können, manch einer mag auf dem zugig-kühlen Schlossplatz aber vielleicht auch froh gewesen sein, dass es damit gut war. Wo also hätte Gilmour kondensieren können? Am ehesten im zweiten Teil, bei „Coming back to Life“, dem erwähnten „On an Island“ und dem jazzangehauchten „The Girl in the yellow Dress“, das der ansonsten nicht übermäßig redselige Gilmour mit den Worten ankündigt, dass man sich ja auf einem Jazzfestival befinde.