David Letterman, der Pionier und König der Late Night, ist mit seiner 6028. Sendung bei CBS abgetreten. Unser Autor Sebastian Moll würdigt einen der ganz Großen des US-Showbusiness.

New York - Wenn es je eine Gelegenheit für einen sentimentalen Abend gegeben hat, dann war sie am Mittwoch gekommen. Amerika nahm nach 33 Jahren Abschied von einer Ikone des Entertainment, von einem der ganz Großen des Showbusiness. David Letterman, Pionier und König der Late Night trat mit seiner 6028. Sendung bei CBS ab. Doch Letterman blieb sich selbst bis zum Ende treu. Auch bei seinem letzten Auftritt war Letterman zynisch, bissig und gänzlich selbstironisch.

 

So ließen die zehn Superstars des Comedy Genres, die gekommen waren, um ihm Tribut zu zollen, kein gutes Haar an Letterman. Steve Martin fand, Lettermans Schönheitsoperation sei zwar notwendig, aber auch ein großer Fehler gewesen. Jerry Seinfeld fing zwar sentimental an, indem er sagte, er wisse nicht, was er ohne Letterman abends mit sich anstellen sollte, fügte dann aber flugs an, dass ihm doch etwas eingefallen sei. Jim Carey nahm ihn auf die Schippe, indem er Letterman des übertriebenen Schauspielerns bezichtigte.

Letzteres ist das Allerletzte, das man Letterman vorwerfen kann. Der schlaksige Humorist aus dem Mittelwesten wirkte bei seinen Shows immer etwas gelangweilt. Er las seinen prominenten Gästen aus dem Showbusiness hölzern die Fragen vor und lehnte sich dann zurück, während die Stars versuchten sich – durch Letterman leicht verunsichert – vor der Kamera zu produzieren. Letterman gab allen Beteiligten stets das Gefühl, dass er das ganze Theater, zu dem er gehörte, leicht absurd fand. „Man hatte immer den Eindruck, als sei es ihm gleichgültig, ob er da sei oder nicht“, schrieb sein Kollege Scott Auckerman in einem der vielen Nachrufe der vergangenen Wochen.

Selbst der Präsident der USA wurde veralbert

Genau das war jedoch der Punkt von Lettermans Show – der langlebigsten Sendung überhaupt im US Fernsehen. Letterman, darin ist sich die Humorkritik einig, hat den Sarkasmus nicht nur in die US-Unterhaltung eingeführt, sondern ihn zum dominanten Modus gemacht. Letterman war nichts heilig. Kein Star war zu groß, um ihn nicht zu veralbern – nicht der Präsident der USA und nicht einmal sein Arbeitgeber, Senderchef Les Moonves, den er regelmäßig vor er Kamera auf die Schippe nahm.

Mit seinen Gags stieß Letterman in neue Dimensionen der Schrägheit und Absurdität vor. So ließ er einen Affen mit der Kamera durch das Studio laufen, um dem Publikum die Affenperspektive näher zu bringen. Oder er veralberte Kunden eines McDonald’s Drive-In, indem er ihre Bestellungen falsch entgegen nahm. Man hatte stets das Gefühl Letterman probiere aus, wie viel er den Menschen zumuten kann.

Das Publikum stellte sich als duldsam heraus. Letterman verlor zwar in den letzten Jahren an Quote gegenüber seinem Erzrivalen Jay Leno sowie dessen jungem Nachfolger Jimmy Fallon. Doch er behielt seinen unumstößlichen Platz als der Kultstar der Late Night.

Der Komiker Stephen Colbert wird sein Nachfolger

Dabei hat sich das Gewerbe gerade in den letzten Jahren dramatisch verändert. Die neue Garde der Late Nighter mit Jimmy Fallon, Jimmy Kimmel oder Conan O’Brien pflegen einen neuen Stil des Humors. Der Sarkasmus ist dem Bemühen um energische, spritzige Spaßnummern gewichen. Fallon triumphiert mit seiner Albernheit, die Sendungen sind darauf angelegt, Dreißigsekunden-Highlights bei Youtube zu produzieren.

In diese Landschaft passt Letterman nicht mehr, der Abtritt des 68-Jährigen kommt zur rechten Zeit. Auf ihn folgt der 49 Jahre alte Schauspieler und Komiker Stephen Colbert. Doch Letterman hat zweifelsohne der Unterhaltung seinen Stempel aufgedrückt, in den USA und anderswo. Schon seit Wochen wird ihm dafür auf allen Kanälen gedankt. So sagte zuletzt Jon Stewart, der Sarkasmus zur Kunstform erhoben hat, dass Letterman für ihn eine „Erleuchtung“ gewesen sei.

Doch Letterman wäre nicht Letterman, wenn er auch all das auf die Schippe genommen hätte. „Vielen Dank für die vielen Blumen in den vergangenen Tagen“, sagte er am Mittwoch bei seiner letzten Show. „Aber bitte hebt doch noch was für meine Beerdigung auf.“ Zuvor hatte er im Intro-Clip Barack Obama sagen lassen, dass die USA nun endlich von einer langen Plage befreit sei.

Bob Dylan spielte zum Abschied nicht auf

Ein klein wenig sentimental wurde Letterman am Ende dann allerdings doch. Als Band des Abends lud er nicht, wie im Vorfeld gemunkelt wurde, Bob Dylan ein, sondern die Foo Fighters, die für ihn bei seinem Comeback nach einer Herzoperation gespielt hatten. Und in seiner Dankesrede an seine Mitarbeiter, die „alle viel talentierter sind als ich“, huschte gar ein Hauch der Rührung über Lettermans Gesicht.

Doch Letterman ließ diese Stimmung nicht lange im Raum stehen. Stattdessen beantwortete er ein für alle Mal die Frage, was er denn nun tun werde mit einem klassischen Letterman Gag. „Ich möchte das neue Gesicht von Scientology werden“, sagte er. Der Witz erntete ein zauderndes, etwas verunsichertes Lachen und wenn man darüber nachdachte, musste man sich wie immer bei Letterman fragen, was das jetzt eigentlich sollte. Und genau so wollte er wohl in Erinnerung bleiben.