Die deutschen Schwimmer um die Stars Paul Biedermann und Britta Steffen haben in London keine einzige Medaille geholt. Ein solches olympisches Debakel hat es zum letzten Mal vor 80 Jahren gegeben – ein historisches Ausmaß.

London - Mit der Kapuze am Dress der deutschen Schwimmer hielt es Britta Steffen genau wie ihr Freund: So wie Paul Biedermann nach seinen enttäuschenden Auftritten im Aquatics Centre hatte sie das rote Anhängsel an der weißen Jacke am Samstagabend tief ins Gesicht gezogen. Vierte war die Freistilspezialistin über 50 Meter Freistil geworden, futsch war damit ihre letze Hoffnung. Und sie sah nun aus wie Rotkäppchen ohne Orientierung. Der 28-Jährigen ging es dabei wie nahezu allen deutschen Bahnenziehern in London. Persönliche Jahresbestzeiten, bei Olympia, stets ein zentrales Ziel, blieben für Wassersportler im DSV-Anzug unerreichbar. Ausnahmen wie Steffen Deibler, der die eigene Marke über 100 Meter Schmetterling gleich zweimal unterbot und am Ende Vierter wurde, bestätigen auch hier die Regel.

 

Am Samstag wurde im olympischen Pool das Wasser ausgelassen. Und für die Schwimmer unter der schwarz-rot-goldenen Flagge stand das schlechteste Ergebnis bei Olympia seit 1932: Null Gold, null Silber, null Bronze. Nichts. Nothing. Niente. Selbst der Weltverband Fina versah diese Tatsache bei seinem am Sonntag verschickten Abschluss-Bulletin mit einem dicken Ausrufeichen. Während die Verantwortlichen des Desasters in der Londoner City mit reichlich Fragezeichen hantierten.

Eine Botschaft gab es bei der trüben Nabelschau im Deutschen Haus auch – verlesen von DSV-Präsidentin Christa Thiel, die betonte: „Es geht nicht um die Personalie des Sportdirektors, definitiv nicht.“ Leistungssportdirektor war nach den Spielen in Peking Lutz Buschkow geworden, der die missliche Lage im deutschen Schwimmen seltsam martialisch darlegte. „Man kann ja einen Krieg erklären“, so Buschkow, „aber wenn man nicht entsprechende Soldaten hat, werden wir den auch nicht erfolgreich bewältigen.“

Die Strukturen sollen völlig neu geordnet werden

Angefangen bei den Trainingskonzepten bis hin zur Nachwuchssichtung sollen nun die Strukturen im deutschen Schwimmsport auf den Kopf gestellt werden. Per Stellenanzeige sucht der Verband zum 1. Dezember zudem einen neuen Chefrainer. Allerdings haben sich die enormen Probleme des DSV, wieder Anschluss an die Weltspitze zu finden, herumgesprochen. Es ist nicht so, dass ich einen Riesenstapel on Bewerbungen habe“, räumte Lutz Buschkow kleinlaut ein.

Die historische Pleite von London, so die Erkenntnis des Chefs, liege vor allem im suboptimalen Abschneiden von Britta Steffen und Paul Biedermann begründet. „Damit steht und fällt die Mannschaft“, monierte Buschkow offen die Olympiavorbereitung der Heimtrainer Norbert Warnatzsch (Steffen) und Frank Embacher (Biedermann). Dabei hatte Warnatzschs berühmte Schülerin selbst eine Anregung für die Zukunft parat.

Wie geht es mit Britta Steffen weiter?

Zwar ringt Britta Steffen noch mit sich, ob sie ihre Karriere überhaupt fortsetzen und bis zur EM 2014 in Berlin weitermachen soll. Unabhängig davon hat sich die Wirtschaftsingenieurin aus Berlin aber mal die monumentale Ausbeute (30 Medaillen) der US-Schwimmer in London angesehen: „In Amerika ist man ein Held, wenn man im Sport gut ist. Dadurch kann man sich dort ein Studium finanzieren – bei uns ist das nicht ganz so einfach.“

Sie sei zwar „nur ein dummes Sportlerchen“, sagte Steffen, von der Art des Miteinanders von DSV und Sportlern offensichtlich frustriert. Einen vorsichtigen Vorschlag machte sie trotzdem. „Vielleicht“, so ihre Überlegung, „sollte man die ganzen Systeme mal mit ein paar Experten analysieren.“ Aber kaum war der Satz ausgesprochen, fing sich Steffen auch schon wieder ein. „Ich will mich“, sagte sie, „da gar nicht groß aus dem Fenster hängen – weil mir das eh nur wieder negativ ausgelegt wird.“

Britta Steffens Ansatz mit der Orientierung in Richtung Amerika hatte vor fünf Jahren schon Lutz Buschkows Vorgänger Örjan Madsen gehabt und diesbezüglich Forderungen gestellt. Vergeblich.