Das landesweite Modellprojekt von Grundschulen ohne Noten steht vor dem Aus. Doch die Grünen wollen das nicht akzeptieren. 

Sachsenheim - Wenn Kerstin Vollmer unterrichtet, sitzt sie meist ganz hinten im Klassenzimmer. Dort, in einer Ecke, hat die Lehrerin der Klasse 3b der Kirbachschule ihren Schreibtisch aufgebaut. Dorthin kommen die Schüler, wenn sie eine Frage haben, dort korrigiert sie Klassenarbeiten. Vorne an der Tafel steht Kerstin Vollmer kaum noch – und Noten verteilt sie auch keine mehr.

 

An der Grundschule im Sachsenheimer Ortsteil Hohenhaslach gibt es keinen sogenannten Frontalunterricht mehr, die meiste Zeit arbeiten die Schüler selbstständig an ihren Aufgaben. Und die Schule ist eine von landesweit neun, die keine Noten mehr in die Zeugnisse ihrer Schüler schreiben. Stattdessen hat jedes Kind einen Ordner, der dokumentiert, welche Aufgaben erledigt wurden, welche Themen beherrscht werden und wo noch Lücken sind. Auch an der Ditzinger Theodor-Heuglin-Schule funktioniert der Unterricht seit knapp fünf Jahren so.

Grüne wollen einen neuen Schulversuch starten

Damit diese Besonderheiten bestehen bleiben, haben Rainer Graef und Jörg Fröscher, die Rektoren der beiden Schulen, am Montag zum Ortstermin eingeladen. Sie wollen zeigen, wie gut ihr System funktioniert – um warum es unbedingt weiterlaufen sollte. Denn vor einigen Wochen hat die Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) verkündet, dass der Schulversuch beendet wird. Die jetzigen Erstklässer werden weiter ihre schriftlichen Bewertungen bekommen. Doch die Kinder, die im Herbst eingeschult werden, sollen wieder Noten erhalten.

Als Hauptgrund für das Aus nannte das Kultusministerium die fehlende wissenschaftliche Begleitung des Versuchs. Der Aufschrei an den Schulen war groß – und ist es bis heute. „Jahrelang habe ich die Vorzüge eines Systems ohne Noten gepriesen, und von Herbst an soll ich das Gegenteil erzählen. Das ist gegen meine Überzeugung“, sagt Jörg Fröscher.

Der Einladung der Schulleiter sind auch die beiden Landtagsabgeordneten Markus Rösler und Jürgen Walter (beide Grüne) gefolgt. Auch sie wollen, dass die neun Versuchsschulen ihr Modell fortführen dürfen und sind alles andere als begeistert über den schwarzen Koalitionspartner: „Das Ende war nicht mit uns abgesprochen“, sagt Jürgen Walter. Seine Partei habe sich gewünscht, „dass der Versuch weiterläuft“.

Zähe Verhandlungen in der Koalition stehen bevor

Daher plane man nun, ein ähnliches Modell auf den Weg zu bringen: eines, in dem die Grundschulen wählen können, ob sie ihre Zeugnisse mit oder ohne Ziffern vergeben. „Wir wollen das Rad nicht zurückdrehen“, sagt Walter. Laut Markus Rösler soll der neue Versuch wissenschaftlich begleitet werden und deutlich breiter angelegt sein als der bisherige. „Wir wollen das deutlich ausweiten“, sagt der Abgeordnete aus Vaihingen/Enz. Das sei Konsens in seiner Fraktion. Rösler räumt aber ein, dass bis dahin noch viele Verhandlungen mit dem Koalitionspartner CDU zu führen sind. Frühestens im Sommer 2019, so glaubt er, könnte ein neuer Versuch starten.

Ob es wirklich soweit kommt, ist indes fraglich. Auf Nachfrage stellt Martin Silzer, Referent im Kultusministerium, klar: „Der Schulversuch läuft aus. Punkt.“ Eine nachträgliche wissenschaftliche Bewertung werde es nicht geben. Man sei gleichwohl mit den Rektoren der neun Versuchsschulen im Dialog, so werde es an diesem Mittwoch ein Treffen im Ministerium geben. Dabei wird allerdings der auslaufende Schulversuch bewertet. Um einen Neustart geht es nicht.