Würde eine Ampelkoalition die Cannabis-Politik anpassen? Christian Brugger-Burg, der in Leinfelden-Echterdingen einen Cannabis Social Club gegründet hat, erklärt, was man sich im Verein gerade für Gedanken macht.

Leinfelden-Echterdingen/Stuttgart - Schätzungsweise konsumieren rund vier Millionen Menschen in Deutschland regelmäßig Cannabis, obwohl der Besitz – noch – illegal ist. Bis jetzt ist nichts durchgesickert, was die potenziellen Ampelkoalitionäre hier planen. Klar ist: Sowohl SPD, Grüne als auch FDP stehen einer Lockerung aufgeschlossen gegenüber. Der Vorsitzende des Cannabis Social Club in Stuttgart, Christian Brugger-Burg, sagt, die Legalisierung werde diese Legislatur kommen, weil sie kommen müsse. Was meint er damit?

 

Herr Brugger-Burg, 2016 gründeten Sie den Cannabis Social Club in Leinfelden-Echterdingen. Holen Sie uns bitte kurz ab: Was macht Ihr Verein genau?

Wir sind eine Anlaufstelle für alle, die sich für Cannabis interessieren, und wir diskutieren darüber, wie wir die Legalisierung in Deutschland vorantreiben können. Zudem organisieren wir Demonstrationen und wollen somit über die Pflanze und den Konsum bei Infoständen aufklären. Letzteres ist uns besonders wichtig.

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Was macht Sie so sicher, dass die Legalisierung in den nächsten vier Jahren kommen wird?

Die führenden Parteien der geplanten Ampelkoalition haben meiner Meinung nach einfach keine Ausreden mehr parat. Sie haben sich während des Wahlkampfs alle dafür ausgesprochen. Jetzt einen Rückzieher zu machen, wäre fatal und ein gewaltiger Vertrauensbruch, gerade bei jungen Wählern.

Eventuell wurde das Thema auch einfach nur wieder aus der Schublade geholt, um Wählerstimmen zu ergattern?

(lacht) Das wird es alle vier Jahre.

In den Sondierungsgesprächen der möglichen Ampelkoalitionäre scheint das Thema noch gar nicht substanziell besprochen worden zu sein.

Wenn es jetzt noch nicht in den Sondierungsgesprächen vorkam, ist das in Ordnung. Es gibt zurzeit auch wichtigere Themen, wie beispielsweise den Klimaschutz, um die man sich kümmern sollte. Denn was nützt es; kiffen zu können, wenn draußen die Welt untergeht?

Es würde den Weltuntergang eventuell etwas erträglicher machen?

Und genau das ist der Fehler. Der Konsum von Cannabis sollte nicht dafür genutzt werden, um etwas erträglicher zu machen. Kiffen soll in erster Linie Spaß machen und die Menschen zusammenbringen. Genauso wie es der Alkohol auf dem Wasen macht.

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Ist Deutschland überhaupt bereit für diesen Schritt?

Wir müssten erst einmal ein Modellprojekt in der Bundesrepublik installieren, damit jeder sieht, dass, wenn man Cannabis legal erwerben und konsumieren kann, die Gesellschaft davon nicht untergeht. Berlin hat schon zweimal so ein Projekt beim zuständigen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingereicht, um den Schwarzmarkt im Görlitzer Park einzudämmen. Ohne Erfolg. Aber Fakt ist doch, dass in Deutschland gekifft wird. Wir alle wissen, dass durch eine kontrollierte Abgabe in Apotheken oder eben Cannabis Social Clubs Arbeitsplätze geschaffen, Steuern eingenommen und unser Rechtssystem entlastet werden kann. Warum machen wir uns das nicht zunutze?

Vielleicht weil es auch viele Gegenstimmen gibt, die Cannabis als durchaus gefährlich ansehen?

Und damit haben sie auch teilweise Recht. Cannabis kann gefährlich sein. Vor allem, wenn man das Thema tabuisiert und beispielsweise junge Menschen damit unverblümt und ohne jegliche Aufklärung in Berührung kommen lässt. Ich bin aber der Ansicht, dass alles, was gefährlich ist, auch legal sein sollte. In Ländern wie Kanada oder den USA hat das ganz gut funktioniert. Dort ist die Zahl der Konsumenten sogar zurückgegangen.

Alles, was gefährlich ist, sollte auch legal sein? Das wird nicht jeder nachvollziehen können.

Würde man die Abgabe von Cannabis kontrollieren, so könnte man das Konsumverhalten eines jeden Einzelnen in einem Register festhalten. Wenn jemand immer wieder mehr als die ihm zugeteilte Menge beziehen möchte, sollte man das Gespräch mit demjenigen suchen und fragen, woher dieser exzessive Konsum kommt. Cannabis Social Clubs machen genau das. Damit will ich sagen, dass wir auch als Kontrollinstanz dienen. Im Supermarkt kann ich aber locker drei Flaschen Wodka aufs Band legen, ohne, dass das hinterfragt wird. Das erschließt sich mir irgendwie nicht.

Die Drogenbeauftragte der Bundesrepublik, Daniela Ludwig (CSU), sagt dazu: „Nur weil Alkohol gefährlich ist – unbestritten –, ist Cannabis kein Brokkoli.“

Was auch immer sie damit gemeint hat. Aber ich mag Brokkoli.