Wieder wird über eine Vergrößerung der Bundeswehr diskutiert. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bleibt dabei, sie will die Wehrpflicht nicht reaktivieren. Die Forderung nach mehr Soldaten sind für sie allerdings kein Tabu mehr.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Die Bundeswehr soll eine Freiwilligenarmee bleiben. Dies hat das Verteidigungsministerium trotz zuletzt vielstimmiger Forderungen nach einer Verstärkung der deutschen Truppen deutlich gemacht. „Es geht jetzt nicht um die Einführung der Wehrpflicht; die ist ausgesetzt“, betonte ein Sprecher von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Montag in Berlin. „Wir überprüfen Umfang und Struktur der Bundeswehr im Rahmen einer Freiwilligenarmee.“ Zugleich betonte er, dass mit einer raschen Entscheidung über die generelle Verstärkung der Truppe nicht zu rechnen sei. Zum einen laufe aktuell noch die Überprüfung, wie die Aufgaben der Bundeswehr und der Truppenumfang zusammen passten. Zum anderen müsse das Thema Personalstärke eingebettet werden in die Erarbeitung des neuen Weißbuches. Das Dokument, in dem die sicherheitspolitischen Grundlagen festgelegt werden, soll Mitte 2016 fertig sein.

 

„Derzeit ist die Bundeswehr stark gefordert“, räumte von der Leyens Sprecher ein. Mehr als 3000 Soldaten leisteten gegenwärtig in Auslandeseinsätzen ihren Dienst. Darüber hinaus seien täglich zwischen 8000 und 9000 Soldaten für Aufgaben zur Bewältigung der Flüchtlingskrise abgestellt. „Insgesamt können wir unseren Auftrag gut ausfüllen. Aber wir müssen schauen, wie sich das entwickelt.“ Er bekräftigte damit eine Aussage der Ministerin von Anfang Dezember.

Wehrbeauftragter sieht Truppe „im freien Fall“

Damit reagierte das Verteidigungsministerium auf die zum Teil vehementen Forderungen nach einer Aufstockung der Bundeswehr, die während der Weihnachtstage laut geworden sind. Unter anderem formulierte der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) einen drastischen Befund. Die Bundeswehr sei „seit 25 Jahren personell im freien Fall“ und brauche mindestens 7000 Soldaten mehr, betonte Bartels. Auch der Vorsitzende des Bundeswehrverbands André Wüstner sieht die Truppe mit derzeit 178  000 Soldaten „im roten Bereich“. Er forderte 5000 bis 10 000 Soldaten mehr. „Was wir alles machen sollen, geht mit dem jetzigen Personal und Material so nicht mehr weiter“, hatte Wüstner gesagt. Wenn möglich solle eine Aufstockung der Truppenstärke noch vor der nächsten Bundestagswahl im Jahr 2017 stattfinden.

Nach einer Jahrzehnte währenden Schrumpfkur fordern damit nicht nur Politiker eine personelle Kehrtwende bei den Streitkräften. Auch in der Bevölkerung wächst offenbar das Bewusstsein für die neue Sicherheitslage. 56 Prozent der Bundesbürger befürwortet einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov zufolge, die Armee zu vergrößern; 30 Prozent sprachen sich dagegen aus.

Den maximalen Truppenumfang mit 670 000 Soldaten hatte die Bundeswehr nach ihrer Verschmelzung mit der Nationalen Volksarmee. Allerdings wurde seinerzeit im Zwei-Plus-Vier-Vertrag eine maximale Truppenstärke von 370 000 Mann für Deutschland festgelegt. Alle Verteidigungsminister seither – Volker Rühe (CDU), Rudolf Scharping (SPD), Peter Struck (SPD), Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Thomas de Maizière (CDU) und Ursula von der Leyen (CDU) haben die Truppe verkleinert. Derzeit leisten nach Angaben des Verteidigungsministeriums rund 178 198 Soldaten Dienst, darunter 9498 freiwillig Wehrdienstleistende. Zum Vergleich: In den Hochzeiten des Kalten Krieges in den achtziger Jahren hatte die Bundeswehr (West) 495 000 Soldaten.