Eine Beteiligung an den Krankenhauskosten oder gar ein Bußgeld von 1000 Euro – angesichts der dramatischen Corona-Lage im Land werden immer mehr Forderungen laut, Ungeimpfte zur Kasse zu bitten.

Digital Desk: Jonas Schöll (jo)

Stuttgart - Angesichts der steigenden Zahl von Corona-Patienten in Baden-Württemberg werden nun Forderungen laut, Menschen mittels Sanktionen finanzieller Natur zu einer Impfung zu bewegen. Der jüngste Vorstoß in dieser Sache kommt vom Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Als „eine staatsbürgerliche Pflicht“ bezeichnete der Grünen Politiker die Impfung gegen das Coronavirus.

 

„Wie immer finden sich aber Menschen, die Pflichten nicht anerkennen. Das gibt es bei der Steuerpflicht. Bei der Unterhaltspflicht. Bei der Streupflicht und so weiter. Wo Menschen Pflichten nicht anerkennen, muss der Staat leider auch mit Sanktionen arbeiten“, schrieb Palmer am Montag auf seiner Facebook-Seite. Ein angedrohtes Bußgeld von 1000 Euro würde bereits reichen, um 95 Prozent der Impfverweigerer zur Einsicht zu bringen, meinte Palmer. Wer Zwang ablehne, müsse seine Pflichten selbst wahrnehmen.

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Ungeimpfte Covid-19-Patienten sollen zahlen

Impfunwillige zur Kasse beten? In eine ähnliche Richtung zielt ein Vorstoß der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin. Dabei wird neben einem bundesweiten Lockdown für Ungeimpfte und einer allgemeinen Impfpflicht auch eine Kostenbeteiligung Ungeimpfter an Krankenhausleistungen gefordert. „Der hohe Anteil der Menschen, die noch nicht geimpft sind, werden uns sonst in eine Katastrophe führen und unser Gesundheitssystem in einem Maße überlasten, wie wir es bisher nicht kennengelernt haben. Mit einer Impfpflicht allein kommen wir hier nicht mehr weiter“, teilte der KV-Vorstand am Dienstag mit.

Die Krankenhaus-Patienten sollten demnach über eine Eigenbeteiligung oder über einen Aufschlag auf den Kassenbeitrag zur Kasse gebeten werden. „Die Einnahmen könnten den Pflegekräften im stationären Bereich und den Medizinischen Fachangestellten in der ambulanten Versorgung zugutekommen“, so die KV Berlin. Von der Politik sei eine konsequente Strategie in der Pandemiebekämpfung nötig, um Kollateralschäden von der Gesellschaft abzuwenden, hieß es.

Verlust des Krankenversicherungsschutzes?

Der Bielefelder Professor für Öffentliches Recht, Franz C. Mayer, schließt als mögliche Sanktion für Verweigerer der Corona-Impfung nicht aus, dass sie ihren Krankenversicherungsschutz verlieren. „Eine allgemeine Impfpflicht ist grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Dienstag. „Es kommt auf die guten Gründe und dann auf die Verhältnismäßigkeit an. Grundsätzlich gilt: Die Freiheit der Einzelnen endet da, wo Freiheit und Gesundheit anderer in Gefahr sind – das ist hier der Fall, wenn die Impfkampagne nicht gelingt.“

Sanktionen bei Verletzung der Impfpflicht müssten verhältnismäßig sein, so Mayer weiter. „Deswegen wird man sicher beim gegenwärtigen Stand der Infektionslage niemanden mit Gewalt zwangsimpfen.“ Denkbar seien aber neben Bußgeldbewehrung empfindliche Nebenfolgen wie etwa gesetzliche Regelungen zum Verlust des Krankenversicherungsschutzes: „Wer pflichtwidrig ungeimpft krank wird, könnte auf den Kosten sitzen bleiben.“ Letztlich sei bei der Ankündigung einer allgemeinen gesetzlichen Impfpflicht bereits die Kommunikation darüber Teil der Impfstrategie, sagte der Rechtsprofessor. „Schon die Aussicht auf eine solche Pflicht könnte viele dazu bewegen, sich doch noch impfen zu lassen.“

Verfassungsrechter: Ein Bußgeld reicht nicht

Der frühere Professor an der Berliner Humboldt-Universität, Ulrich Battis, sagte dem RND, eine allgemeine Impfpflicht sei „durchsetzbar“ und „verhältnismäßig“. Sie müsse aber auch geeignet sein. „Das ist sie nicht, wenn sie nicht umgesetzt wird“, sagte der Verfassungsrechtler. Eine Umsetzung würde demnach darin bestehen, Ungeimpfte zum Zu-Hause-Bleiben zu verpflichten. Ein Bußgeld reiche nicht. Battis verwies auf Artikel 2 des Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“