Bundestrainer Joachim Löw ist angezählt, der DFB-Präsident Fritz Keller erhöht den Druck – und die Debatte um einen möglichen Nachfolger ist in vollem Gange.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart - Nur zur Erinnerung kurz zu den kalten Fakten, die in dieser teils so überhitzt geführten Debatte rund um den Bundestrainer als Orientierung dienen können: Joachim Löw hat noch einen Vertrag bis 2022. Der DFB-Direktor Oliver Bierhoff betonte zuletzt allerdings bereits vor dem 0:6 von Sevilla gegen Spanien am Dienstagabend, dass er den Weg des Umbruchs mit Löw mitgehe – bis einschließlich der EM 2021. Schon nach dieser recht klar interpretierbaren Botschaft Bierhoffs (bis hierhin und nicht weiter!) erschien es zumindest wahrscheinlich, dass die Reise mit Löw nach dem Turnier enden wird.

 

Lesen Sie hier unseren Kommentar: Das Trauerspiel mit Joachim Löw geht weiter

Nun aber hat die Debatte um den Coach nach dem Spanien-Spiel eine neue Dynamik erreicht, verbunden mit vielen Fragen: Darf Löw überhaupt noch bis zur EM weitermachen? Oder nutzt der DFB die lange Zeit bis zum nächsten Länderspiel Ende März für einen Wechsel? Und: wer könnte das Amt kurz- oder mittelfristig übernehmen?

Keller macht Druck

Fakt ist: Löw ist geschwächt, das verrät auch der Duktus des Verbandspräsidenten Fritz Keller, der am Donnerstag kundtat, in den kommenden zwei Wochen eine Analyse von Löw vorliegen haben zu wollen. Keller erwartet, dass das Debakel von Sevilla „gründlich analysiert und die nötigen Folgerungen daraus gezogen werden“. So etwas hat Löw, der bis in diesen Herbst hinein einen Freifahrtschein hatte, in seinen 14 Jahren im Amt noch nie gehört – selbst nach dem WM-Debakel 2018 nicht, als er in den Tagen danach mit dem Cabrio-Oldtimer durch Freiburg fuhr und höchstens analysierte, ob am nächsten Tag auch wieder die Sonne scheint.

Lesen Sie hier aus unserem Plus-Angebot: Joachim Löw – ein Trainer im Auge des Orkans

Der Ton um Löw also wird rauer. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die DFB-Spitze intern längst an einer eleganten Lösung arbeitet. Die könnte so aussehen, dass Löw der Rücktritt noch vor Jahresende auf dem Silbertablett angeboten wird. So könnten alle Parteien ihr Gesicht wahren, so gut das geht. Denkbar ist aber auch, dass Löw bei der EM noch im Amt ist.

Wie auch immer: die Nachfolgedebatte ist in vollem Gange. So wird etwa Ralf Rangnick in diesen Tagen als die angeblich erste, die mögliche schnelle Lösung für das Amt des Bundestrainers gehandelt. Der 62-Jährige ist derzeit ohne Job und als Fachmann in der Branche längst hoch anerkannt. Seit dem Sommer arbeitet der gebürtige Backnanger nicht mehr für das Fußballimperium von Red Bull.

Klopp? Tuchel? Oder Kuntz?

Hansi Flick wiederum, der Triple-Trainer des FC Bayern, war von 2006 bis 2014 der Assistent von Löw – längst ist beim DFB über ihn als Nachfolger für Löw gesprochen worden. Allein: Flick hat beim FC Bayern einen Vertrag bis 2023 und käme zumindest als kurzfristige Lösung nicht in Frage. Allerdings ist er bekannt dafür, dass er, wenn ihm etwas nicht passt, auf Kontrakte keine Rücksicht nimmt. So löste er im Januar 2017 seinen bis 2019 laufenden Vertrag als Sportdirektor beim DFB auf, weil er sich in seinem Reformwillen nicht genügend unterstützt sah. Beim FC Bayern wiederum ist sich Flick oft uneins mit dem Sportvorstand Hasan Salihamidzic, was mögliche Spielertransfers- und Abgänge angeht. Nicht ausgeschlossen also ist es, dass sich da mit Flick und dem DFB etwas ergeben könnte.

Bevor Flick bei Bayern durchstartete und so seine Eignung als Chefcoach unter Beweis stellte, war wiederum Jürgen Klopp nicht nur für das gemeine deutsche Fußballvolk, sondern auch DFB-intern die wohl einzige Traumlösung für den Bundestrainerposten, das allerdings eher auf langfristige Sicht. Denn alle Beteiligten wissen um Klopps Vertrag bis 2024 beim FC Liverpool. Die wohl einzige Chance, ihn fürs Amt des DFB-Trainers zu gewinnen, bestünde für den Sommer 2023 – mit der Aussicht auf die Heim-EM 2024, die dem Vernehmen nach einen Reiz ausstrahlt auf den Menschenfänger Klopp.

Lesen Sie auch: Hohn und Spott in den sozialen Medien für die DFB-Elf

Ein klassischer Menschenfänger ist Klopps Kollege Thomas Tuchel eher weniger. Dessen fachliche Qualitäten aber sind unbestritten – und könnten dazu führen, dass der ehemalige BVB-Coach zum Kandidaten wird. Denn Tuchels Vertrag bei Paris St-Germain läuft im Sommer 2021 aus, es ist nach Querelen mit dem Sportchef Leonardo unwahrscheinlich, dass er verlängert wird. Tuchel also ist wohl nach der EM frei, was ihn aus DFB-Sicht nur noch interessanter macht.

Was aber, wenn Löw schon vor der EM 2021 gehen muss und es mit Rangnick nicht klappt? Bei dieser Konstellation fällt immer wieder der Name Stefan Kuntz. Der betreut die U-21-Nationalelf und stünde als Übergangslösung zur Verfügung – womöglich sogar bis zur WM 2022. Nach der dann wiederum eine verfügbare neue Dauerlösung installiert werden könnte. Wie auch immer sie heißt.