Noch sind nicht alle im Juni beschlossenen Maßnahmen umgesetzt, da wird schon gefordert politisch nachzulegen – zum Beispiel über Staatsbeteiligungen an Autozulieferern oder leichtere Neueinstellungen.

Berlin - Dieser Tage landet bei vielen Bundesbürgern zusätzliches Geld auf dem Konto – am Montag begannen die Familienkassen damit, den einmaligen Kindergeldbonus von 300 Euro auszuzahlen. Dies ist eine jener Maßnahmen, die beim Koalitionsgipfel Anfang Juni zur Ankurbelung der Corona-geschwächten Wirtschaft beschlossen worden sind.

 

Der 51. von 57 Punkten, die das größte Konjunkturpaket in der Geschichte der Republik umfasst, erreicht diese Woche in erster Lesung den Bundestag. Für das „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ sollen drei Milliarden Euro locker gemacht werden. Überhaupt sind, wie es in der Unionsfraktion heißt, „bis auf einige wenige bereits alle Maßnahmen in der Umsetzung“. Das Verkehrsministerium etwa hat gerade im August mit der EU-Kommission abgeklärt, dass zusätzliche 2,5 Milliarden Euro in den Ausbau des ÖPNV fließen können.

Wirkt die Mehrwertsteuersenkung oder nicht?

Das zentrale Element des Pakets, die bis Jahresende befristete Mehrwertsteuersenkung, wirkt bereits seit 1. Juli. Strittig ist noch, in welchem Ausmaß. So hat das Institut der deutschen Wirtschaft kürzlich Passantenströme untersucht und geschätzt, dass die reduzierte Steuer 40 Prozent mehr Menschen in die Fußgängerzonen gelockt hat. Eine Umfrage von Konjunkturforschern der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ergibt dagegen ein anderes Bild. Knapp drei Viertel der Befragten wollen ihr Konsumverhalten im laufenden zweiten Halbjahr deshalb nicht ändern, während 80 Prozent von ihnen dies wegen Einmalzahlungen wie dem Kinderbonus tun würden. Die Wissenschaftler fordern daher eine neue Gewichtung bei Konjunkturmaßnahmen.

Überhaupt gewinnt die Debatte darüber, ob politisch nachgelegt werden muss, an Fahrt. Mit angestoßen hat sie vor einer Woche Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann, der die langsame Auszahlung aus neuen Fördertöpfen kritisierte und weitere langfristig wirkende Reformen forderte, um der Corona-Krise Herr zu werden.

Tatsächlich erholt sich die Wirtschaft nur langsam vom historischen Einbruch im zweiten Quartal, als ein Minus von 10,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum verzeichnet wurde. Der Monatsbericht August des Finanzministeriums verweist zwar darauf, dass die Industrieproduktion wieder anzieht, aber „weiterhin deutlich unter Vorkrisenniveau“ liegt.

Da das nicht zuletzt für die Autoindustrie gilt, konzentrieren sich eine Reihe weitergehender Forderungen darauf. So hat CSU-Chef Markus Söder vor dem Autogipfel mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Dienstag einen neuen Anlauf für eine Kaufprämie unternommen, diesmal „CO2-Prämie“ genannt. Die SPD griff den IG-Metall-Vorschlag auf, kriselnde Zulieferbetriebe über einen staatlichen Beteiligungsfonds zu unterstützen.

Das Wirtschaftsforum der SPD legte am Montag mit weitergehenden Forderungen nach: Unternehmen sollten Zukunftsinvestitionen sofort abschreiben, aktuelle Verluste mit früheren Gewinnen verrechnen dürfen und für neue Mitarbeiter vorübergehend keine Sozialabgaben zahlen müssen. Die staatliche Investitionstätigkeit soll darüber hinaus nochmals stark ausgebaut werden.

Warnungen vor einer Staatswirtschaft

Der Widerstand gegen ein weiteres Paket jedoch ist groß. „Statt Staatswirtschaft brauchen wir bessere Rahmenbedingungen wie neue Handelsabkommen, Bürokratieabbau und eine Unternehmenssteuerreform“, sagt FDP-Fraktionsvize Michael Theurer. Auch der CDU-nahe Wirtschaftsrat hält wenig von den Überlegungen, die es auch in der Union zur Autoindustrie gibt. Zwar besteht für Präsidentin Astrid Hamker kein Zweifel daran, dass die Branche hart getroffen wurde: „Trotzdem beurteilt es der Wirtschaftsrat kritisch, wenn jetzt laut nach Geld vom Staat, Subventionen oder Anreizen für Käufer gerufen wird. Denn diese Probleme haben derzeit alle produzierenden Unternehmen.“ Sie setzt im Transformationsprozess hin zu klimaschonender Mobilität auf technologieoffene Rahmenbedingungen.

Die Unionsfraktion im Bundestag will weitere Finanzhilfen nicht ausschließen, aber auch keinen weiteren Schulden im großen Stil zustimmen. „Wir müssen die Konjunktur im Blick halten, aber auch die Kasse“, sagt Fraktionsvize Andreas Jung unserer Zeitung. Wo es trotz des bereits Beschlossenen wirtschaftliche Härten gebe, „steuern wir nach. Aber es darf auch finanziell keine Überforderung geben“.