Nur wenige Kreisbewohner fliegen über Ostern in die Sonne. Viele Reisebüros können sich nur dank guter Rücklagen über Wasser halten. Sie ärgern sich über die Äußerungen vieler Politiker, die den Urlaub am liebsten ganz verbieten möchten.

Kreis Böblingen - Die Diskussionen um Mallorca-Urlauber sind aktuell groß. Doch die Zahl der Reisenden ist sehr klein, zumindest von Urlaubern aus der Region. „Ich habe für die Osterzeit gerade einmal drei Buchungen für Mallorca. Und bei einer ist noch nicht sicher, ob sie wieder storniert wird“, sagt Bernfried Kraft, Inhaber eines Reisebüros in Schönaich. Mit acht Mitarbeitern gehört er zu einem der größeren und bekannteren Reisebüros in der Gegend. Normalerweise beginnt für ihn an Ostern die Saison. Doch dieses Jahr fällt sie praktisch aus. Auch Wolfgang Schweizer, Inhaber eines Unternehmens mit Reisebüros an fünf Standorten, darunter in Sindelfingen und Stuttgart, verzeichnet nur wenige Buchungen. „Ein paar Reisen auf die Balearen, an die spanische Küste und eine Hochzeitsreise nach Kuba.“

 

Es ist bereits die zweite Ostersaison in Folge, in der die Reisebüros fast keine Umsätze machen. Im vergangenen Jahr um diese Zeit waren sie hauptsächlich damit beschäftigt, Stornierungen zu bearbeiten. Manche Kunden verschoben ihre gebuchte Reise auf dieses Frühjahr – nun muss sie wieder abgesagt werden. 90 Prozent weniger Umsätze im Jahr 2020 verzeichnet die Firma von Bernfried Kraft im Vergleich zum Vorjahr. Auf 70 bis 80 Prozent beziffert Wolfgang Schweizer seinen Umsatzrückgang für 2020, und für dieses Jahr seien es aktuell sogar 90 Prozent weniger im Vergleich zum Jahr 2019. Die Hoffnungen auf die Ostersaison musste er begraben. „Ich denke, wir können auch Pfingsten abschreiben, vielleicht geht im Sommer etwas“, so die neue Hoffnung.

Testpflicht für Reiserückkehrer ist umstritten

Was den Reiseverkehrskaufmann Bernfried Kraft so richtig empört, sind die aktuellen Diskussionen über Urlauber nach Mallorca oder andere Niedrig-Inzidenzgebiete „Wir haben ganz klare Regeln, die ich befürworte und an die wir uns halten. Aber eine Regel besagt: ‚Ein Land mit einer Inzidenz unter 50 ist kein Risikogebiet“, sagt Kraft. Reisen dorthin seien erlaubt, aber dann doch moralisch verwerflich. Man mache den Leuten ein schlechtes Gewissen und verunsichere sie mit ständigen neuen Auflagen. Froh ist der Reiseexperte, dass nun zumindest die angedachte Quarantäne-Regelung für Reiserückkehrer aus Mallorca vom Tisch ist. Mit der nun neuen zusätzlichen Testpflicht für alle Einreisenden aus Deutschland kann er sich arrangieren, auch wenn er sie für nicht gerechtfertigt hält. „Unsere Kunden nehmen das aber auf sich, wenn sie unbedingt reisen wollen.“

Groß ist die Enttäuschung über die Politik auch bei Wolfgang Schweizer. Der Unternehmer aus Waldachtal führt gemeinsam mit seinem Bruder ein Unternehmen, zu dem neben fünf Reisebüros auch ein Busunternehmen gehört, das eigene Reisen anbietet und auch im Schülerverkehr engagiert ist. „Dieses ständige Hin und Her, mal Rolle vorwärts, dann Rolle rückwärts, das kostet allen Beteiligten Zeit, Geld und ganz viel Nerven“, sagt der Unternehmer und Chef von 80 Mitarbeitern. Er pocht ebenfalls auf die Einhaltung der Regeln auch durch die Politik. „Man kann doch Urlaub auf Mallorca nicht mit Urlaub im bayerischen Wald vergleichen. Auf Mallorca ist die Inzidenz unter 50, an der tschechischen Grenze bei über 200.“ Es gebe auch in Deutschland sichere Reisegebiete, und die müsse man genauso für Urlauber öffnen, fordert der Unternehmer. Die Idee, Reisen generell zu verbieten, hält Schweizer „nicht vereinbar mit unserem Grundgesetz“. Und er ist sicher, dass ein solches Verbot schnell von einem Gericht gekippt werden würde. Auch die generelle Testpflicht bei Einreise per Flug nach Deutschland hält er für rechtlich bedenklich. „Dann müsste man auch innerhalb Deutschlands alle Leute testen.“

Viele Reisebüros leben von der Substanz

Positiv hingegen sieht Cornelius Meyer von Best-Reisen, einem Zusammenschluss von bundesweit 650 inhabergeführten Reisebüros, die Testpflicht für alle Flugreisenden. „Das gibt allen ein Gefühl von Sicherheit und den Menschen ihre Freiheit zurück.“ Doch ihn ärgert die „Neiddebatte“ zwischen einheimischen Hoteliers und ausländischen und er macht dafür unbedachte Äußerungen von Politikern verantwortlich.

Finanziell trifft die Pandemie viele Unternehmen hart. So auch das Unternehmen Schweizer. Anders als reine Reisebüros, die 90 Prozent ihrer Fixkosten vom Staat erstattet bekommen, erhält Schweizer als sogenanntes verbundenes Unternehmen mit mehreren Geschäftszweigen nur 40 Prozent. „Wir leben von der Substanz“, sagt Schweizer, dessen Unternehmen auf fast 50 Jahre zurückblicken kann. „Wir haben in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet und deshalb ein Polster“, sagt auch Bernfried Kraft aus Schönaich und seit mehr als 30 Jahren im Geschäft. „Doch ich frage mich, wie kleinere Reisebüros, die erst in den letzten zwei, drei Jahren aufgemacht haben, diese Pandemie überleben sollen.“

Umsatteln mit 50 ?

Diese Frage stellt sich auch Jochen Weinhardt, Inhaber des kleinen Reisebüros Ratzfatz in Herrenberg. Er betreibt sein Geschäft fast allein mit einer Halbtagskraft, die nun in Kurzarbeit ist. „Meine Fixkosten bekomme ich zum größten Teil ersetzt. Aber ich selbst lebe vom Einkommen meiner Frau.“ Er überlege aktuell umzusatteln. „Aber ich habe nun mal Reiseverkehrskaufmann gelernt und bin mittlerweile 50 Jahre alt.“

Nun hofft er wie auch seine Kollegen auf die Impfkampagne und dass dann wieder mehr Reisen möglich werden. Den Stillstand nutzen viele Unternehmen der Reisebranche für Investitionen in die Zukunft, sagt Cornelius Meyer. „Wir haben eine App entwickelt, mit der unsere Reisebüros Online-Angebote mit persönlicher Beratung kombinieren können. So haben die Unternehmen Chancen, nach der Pandemie gegen reine Online-Angebote anzukommen.“