Kniffler's Mum machen mit dem Debütalbum "Mein Kind ist das schönste" ihr ganz persönliches Crossover-Revival. Das versetzt den Hörer in die späten Neunziger. Aber ist das jetzt Trash oder reelle Teenie-Musik?

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Die Teenie-Komödie American Pie ist ja inzwischen in der Nostalgie-Retro-Schleife angekommen, mit dieser Referenz im Bandnamen erweisen sich Kniffler's Mum also schonmal als ziemlich treffsicher. Auch die Genrebeschreibung ("Teenage Dirtrap") dürfte den Teenies der späten Neunziger und frühen Nullerjahre erfreuen. Für alle, die es nicht checken (können): Die Band Wheatus hat anno 2000 den Song "Teenage Dirtbag" veröffentlicht, fette Gitarren, Kreischgesang und in den Lyrics die typischen Selbstzweifel vor dem Abschlussball, der in den USA wesentlich wichtiger ist als hierzulande. Wie wir wiederum von "American Pie" gelernt haben.

 

In diesem leicht trashigen popkulturellen Umfeld verankern sich also Kniffler's Mum aus Ludwigsburg - nicht nur vor dem ersten Hören, sondern auch mit ihrem musikalischen Programm. Das ist klassischer Crossover, also Rap mit verzerrten oder Funk-Gitarren, mal mehr Hip Hop, mal mehr Rock mit diesem charakteristischen Knacken im Bassdrum-Sound. "Halli Galli Drecksau Party" heißt ein älterer Song der Band.

Der Weg ins Biz

Partytauglich ist das, klar, die Band hat es in den vergangenen Jahren mehr als einmal live bewiesen. Die große Herausforderung bei dieser Art von Musik ist immer: Wie bringt man das in Albumform? Also auch: wie konserviert man eine Musik, die sonst vor allem live gespielt wird?

Die Antwort, die Kniffler's Mum geben: Mach's wie die Fanta 4. Und wie Cro. Dessen aktuelles Album "Melodie" enthält auch 14 Songs, was für diese Art von Musik viel ist. Die Sänger Tim Gottheil und Chris Rall texten fast die gesamten 45 Minuten durch, es geht um den Weg ins "Biz", ums Hotel Mama (der Songtitel!), um bekannte Sebastians - von Vettel bis Bach - und dank Gastsängerin Saskia Nakari auch eine Raubkatze, die sich als "Teenage Dream" selbst besingt. Textlich richtet sich das alles an eine ähnliche Zielgruppe wie die Songs von Cro: Freunde des süßen Lebens jenseits von Spießertum, großer Verantwortung oder politischen Inhalten, sieht man von "Mister President" und dessen in dem gleichnamigen Song geschilderten Richie-Leben mal ab.

Kuschel mit dem Mainstream

Tatsächlich kennt man Kniffler's Mum von Veranstaltungen für diese in aller Regel junge Hörerschaft, etwa beim Ludwigsburger Schulcampus-Open-Air Peace Me Up. Aber auch für einen Gig beim Schäferlauf Markgröningen sind Kniffler's Mum zu haben, und beim "Stuttgarter Hofbräu Nachwuchsband Contest" schaffte es die Band aufs Abschlusskonzert im Keller Klub. Es gibt also keinerlei Berührungsängste mit dem auf Reichtweitenoptimierung getrimmten Mainstream.

Soviel also zum Cro-Aspekt. Für den Fanta-4-Part zeichnet Andreas "Bär" Läsker verantwortlich, bei dessen Firma musikwirtschaft.de hat die Band ihr Debütalbum veröffentlicht. Die Platte sei "das erste gemeinsame Projekt und Start für die künftige Zusammenarbeit", sagt Chris Rall von Kniffler's Mum.

Und wo führt dieser Weg hin? Potenzial hat die Band, sie ist soundmäßig vielseitig: an der Gitarre mal Funk, mal Brett; am Synthesizer mal kratziges Soundbett, mal Retro-Orgel. Die Musik geht gleich ins Ohr, setzt auf vertraute Strukturen, ist rockig, aber nie zu spitz. Groovt, aber nie so arg, dass auch durchschnittlich begabte Tänzer oder Kopfnicker nicht mehr mitkämen. Textlich sind Kniffler's Mum dann stark, wenn sie Plattitüden à la "Lauter als die Polizei erlaubt" vermeidet. Der (auch als Single ausgekoppelte) Song "Sie haben Recht" etwa sticht positiv heraus: eine eingängige Mischung aus knackiger Bassdrum und Orgelmelodie, Sprech- und Gesang, gefolgt von der geschmeidigen Funk-Rap-Nummer "Hände im Schritt".

Quatsch-Rap und reelle Teenie-Songs fallen auf Albumlänge jedoch zu sehr auseinander. Entweder, man macht konsequent einen auf Trash, oder man versucht sich an einer ernsthafteren Aussage. Was für sie besser ist, muss die Band selbst entscheiden. Der Spagat, den sie auf ihrem Albumdebüt versucht, wird auf Dauer nicht durchzuhalten sein. Jedenfalls kann man oft nicht sagen, ob die Songs auf "Mein Kind ist das schönste" ernst gemeint sind oder nicht.

Was hingegen gelingt: Der Sound zitiert auf eine sympathische Weise die späten Neunziger. Live ist das in vielen denkbaren Kontexten unterhaltsam, auf Platte hätte indes eine Selbstbeschränkung gut getan: lieber vier Stücke weglassen als zu viele ähnliche Songs bringen. Fürs nächste Album sollten sich Kniffler's Mum für einen Weg entscheiden und diesen konsequent gehen.

"Mein Kind ist das schönste" von Kniffler's Mum ist bei musikwirtschaft.de erschienen und kann in mehreren Stuttgarter Geschäften sowie online bezogen werden.