In einer Laube aus Zeiten der „Pfarrer“-Fernsehserien bietet Dein Theater jetzt ein literarisches Programm mit Barbara Mergenthaler an

Lokales: Armin Friedl (dl)

S-Ost - Das Angebot, ein Theater vor die eigene Haustüre, in den Hinterhof zu bestellen, wird in diesen Zeiten bestens angenommen. So ziemlich jeden Tag in der Woche sind Mitglieder des Ensembles von Dein Theater auf diese Weise unterwegs, so die Dramaturgin Katja Ritter von Dein Theater, zuhause im Stuttgarter Osten. Auch Gastspiele vor Alters- und Pflegeheimen werden immer gebucht.

 

Damit geht dieses Theater eigentlich wieder seinem eigentlichen Auftrag nach, das vor allem ein Theater auf Bestellung ist und so ohne öffentliche Förderung arbeitet. Die Umstände dazu sind jetzt freilich schon besonders, üblicherweise sind die literarisch-musikalischen Stücke für Aufführungen in geschlossenen Räumen mit einem intensiven Publikumskontakt konzipiert.

Sprechstunde im grünen Bereich

Doch der Erfolg, den die Macher von Dein Theater mit dieser „poetischen Apotheke vor der Haustüre“ nun haben, ermutigt sie für ein weiteres Projekt: „Die poetische Sprechstunde im grünen Bereich.“ Das findet wieder im Freien statt, genauer: Bei der Lukaskirche am Lukas-platz an der Landhausstraße 149, nur wenige Fußminuten entfernt vom Ostendplatz. In deren Garten befindet sich eine Laube, die in den 1990er Jahren gebaut wurde, als der SWR dort seine „Pfarrer“-Serien drehte. Die Erinnerungen daran und die Laube selbst sind geblieben, der ideale Ort für ein Theater gemäß den derzeitigen Hygiene- und Abstandsregeln, also: Zwei Stühle, zwei Menschen, zwei Meter Abstand.

Dort wartet Barbara Mergenthaler auf jeweils einen poetisch interessierten Gast, der sich zuvor freilich telefonisch beim Theater gemeldet hat, um einen Termin und um mögliche Interessensgebiete zu vereinbaren. Das ist dann schon eine intime Begegnung mit Literatur und Kunst, und Barbara Mergenthaler ist dafür genau die Richtige: Seit 35 Jahren ist sie Mitglied im Ensemble von Dein Theater, außerdem gibt sie viele Seminare und Kurse in Sachen Sprechtraining. Das macht sie im künstlerischen Bereich, aber auch in der Industrie, in Akademien oder auch in Bereichen wie dem Priesterwesen oder in Frauenfortbildungen – eben überall dort, wo es um gutes und sicheres Sprechen und gleichzeitig um kompetentes Auftreten geht. Da bietet sie Einzel- und Gruppenunterricht an, sei es für eine oder für eine Reihe von Sitzungen.

Sprache gestalten, Pausen gestalten

„Die Frage war: Wie kann ich dies in diesen besonderen Zeiten unter diesen besonderen Umständen übersetzen“, so Mergenthaler. Und da bietet sich dieser Rahmen, dieser Ort natürlich schon ganz toll an. Wobei es hier nicht um Sprechtraining im engeren Sinne geht, sondern um Poesie. Mergenthaler: „Ich stelle mir das so vor: Im Mittelpunkt der Begegnung steht ein bestimmtes Gedicht, ein bestimmter Text. Und da geht es erst mal um das Erfassen des Textes, um das Gestalten der Sprache. Jeder literarische Text, jedes Gedicht ist ja ein Sprechanlass. Da macht es schon mal einen großen Unterschied, ob man dies für sich liest oder ob man dies laut spricht. Jede Betonung, jede Pause, spricht ja schon eine Sprache für sich. Und je nach dem, wie man betont, pausiert und spricht, erschließt sich der Text oder das Gedicht anders.“ Mergenthaler zitiert da gerne die Lyrikerin Hilde Domin: „Das Gedicht ist ein Gebrauchsartikel. Das heißt: Es wird gebraucht, aber es verbraucht sich nicht wie andere Gebrauchsartikel.“

Viele Vorschläge, aber auch eigene sind erwünscht

Und welches Gedicht, welcher Text da nun Gebrauchsartikel wird im Garten der Lukaskirche, das zum Beispiel lässt sich ja schon mal im Telefongespräch abklären. Barbara Mergenthaler hat da eine Fülle von Vorschlägen, davon zeugt auch das umfangreiche Stückrepertoire, in dem sie im Programm von Dein Theater mitspielt, das ja mit dem Wortkino auch eine feste Spielstätte in der Werastraße hat. Aber sie ist da auch offen für die Vorschläge der Interessierten. Eine halbe, eine dreiviertel Stunde – das wäre so ungefähr der Zeitrahmen, den Mergenthaler absteckt. Das hängt da natürlich auch etwas vom Wetter ab.

Klassiker können inspirieren

Und je nachdem geht dieses Treffen im grünen Bereich ja auch über den poetischen Diskurs hinaus. Mergenthaler: „Bei diesem Angebot steht klar die Poesie im Mittelpunkt. Aber prinzipiell ist es schon so: Jede Arbeit an der Stimme oder am Sprechen ist zugleich eine Arbeit an der jeweiligen Person.“

Und so weiß sie eben auch aus eigener Erfahrung, dass auch manch abgehangener Klassiker à la Schiller schon manchen jungen Menschen selbst zum Schreiben verführt hat: „Schüler müssen eben erst von selbst aus erfahren, dass Poesie auch geil sein kann, um es mal in deren Worten auszudrücken“, so Mergenthaler: „Das hat schon bei manchen den Anstoß gegeben, mal selbst was zu schreiben, seien es Texte für Rap, Hiphop oder Poetry Slam.“