Wolfgang Strobel aus Kaltental und sein 2009 gegründeter Verein „Besuch im Anderland“ bringen das Thema Demenz schon in die Grundschulen.

Kaltental - Oma macht komische Sachen, Opa ist nicht mehr er selbst? Wenn die Diagnose Demenz gestellt wird, bricht für die betroffenen Familien oft eine Welt zusammen und vor allem Kinder verstehen nicht, was da mit den Großeltern geschieht. Wolfgang Strobel aus Kaltental und sein 2009 gegründeter Verein „Besuch im Anderland“ haben es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, schon Drittklässlern das Thema altersgerecht zu vermitteln. „Der Mensch kommt als Kind und geht als Kind“, heißt es im Volksmund. Was genau ist aber Demenz? Eigentlich handelt es sich dabei um einen Überbegriff, der mehrere Krankheiten zusammenfasst; Alzheimer ist darunter die häufigste und bekannteste. 90 Prozent der Demenzerkrankungen sind unumkehrbar: Nach und nach sterben die Gehirnzellen ab, die Betroffenen verlernen immer mehr. Auch wenn intensiv geforscht wird, weiß man doch wenig über die Auslöser. Medikamente können den Verlauf verlangsamen – ihn stoppen können sie allerdings nicht.

 

Oberstudiendirektor i. R. Wolfgang Strobel engagiert sich seit 2003 im Kaltentaler Zentrum für Menschen mit Demenz. 2004 ließ er sich überdies vom Paritätischen Bildungswerk zum „Mentor für Bürgerengagement“ ausbilden. „Dabei sollten wir ein Projekt erfinden und das Gelernte daran durchspielen“, erzählt er. Sein Anliegen war es, Kindern das Thema Demenz zu erklären, und als das Projekt dann schon mal stand, startete Strobel „Besuch im Anderland“ kurzerhand an der örtlichen Grundschule. Wurden damals noch andere fiktive Projekte Wirklichkeit? „Nein, ich glaube, nur meines.“

Der Verein ist mehrfach ausgezeichnet

„Besuch im Anderland“ zog schnell weite Kreise, und 2009 gründete Strobel mit Gleichgesinnten den gleichnamigen, mittlerweile mehrfach ausgezeichneten Verein. Ziel ist es, schon Grundschülern die Begegnung mit Demenz-Patienten zu ermöglichen: Die Kinder lernen dabei, was Demenz ist und wie sie am besten mit den Betroffenen umgehen können. Es schließen ein oder mehrere Besuche in einer Pflegeeinrichtung an, die Kontakte dazu vermittelt ebenfalls der Verein. Verstört es die Schüler nicht, wenn die Menschen auf einmal abweisend reagieren oder sie sie nicht mehr erkennen? Das sei Teil der Krankheit, sagt Strobel, und die Kinder haben ja zuvor gelernt, dass die Betroffenen nichts dafür können „und man deshalb besonders lieb zu ihnen sein muss“.

Für Lehrer hat der Verein eine Schulstunde ausgearbeitet, wie eine Einführung ins Thema zum Beispiel ablaufen könnte. So führt eine Leseszene ins Jahr 1901 in die Praxis des Doktors Alois Alzheimer. Seine Patientin Auguste Deter lässt ihn auf die „Krankheit des Vergessens“ aufmerksam werden, die neun Jahre später nach ihm benannt wird. Es gibt grundsätzliche Info zur Demenz und als Lesetipp den Verweis auf das von der Alzheimer-Gesellschaft veröffentlichte Buch „Meine Oma“. Der Verein hat daraus ein Theaterstück gemacht, das Klassen auch selbst im Unterricht umsetzen können.

Verein lässt sich von Corona nicht entmutigen

Das Wichtigste sind aber die persönlichen Treffen mit den Demenz-Patienten. „Die Kinder lernen dabei, dass auch geistig eingeschränkte Menschen es verdienen, von uns beachtet und geachtet zu werden“, sagt Strobel. Die Treffen bringen frischen Wind in die Einrichtungen, was auf die Bewohner auffallend oft positiv wirkt: „Da kann es sein, dass jemand mit einem Mal wieder spricht, oder mitspielen will – obwohl er das scheinbar gar nicht mehr konnte.“ Er hofft überdies: Wer als Kind die Scheu vor Menschen mit Demenz verloren hat, entscheide sich später eher für ein Praktikum oder gar eine Ausbildung in den Pflegeberufen.

Allerdings haben die Pandemie und die verbundenen Schulschließungen auch das Engagement ausgebremst. Das Team von „Besuch im Anderland“ ließ sich aber nicht entmutigen: Strobel hat zusammen mit der stellvertretenden Vorsitzenden Daniela Rapp und deren Tochter Johanna eine Reihe von unterrichtsbegleitenden Filmen erarbeitet. Sie sind auf YouTube zugänglich und können deshalb überall eingesetzt werden. Sogar Material auf Englisch ist darunter.

Die Links dazu und vieles mehr findet man auf dem vereinseigenen Internetauftritt www.besuchimanderland.de.