Sie frieren und fordern „Wärme für alle“: Mitglieder der AG Seenotrettung machen in Fellbach auf die Not in den Flüchtlingslagern an den Außengrenzen Europas aufmerksam. Und sie werben für die Aktion „Sicherer Hafen“.

Fellbach - Ein kleines olivgrünes Zelt stand am Samstag vor dem Fellbacher Bahnhof. In solchen zugigen Mini-Behausungen müssen viele Flüchtlinge auch diesen Winter wieder überstehen – ohne Strom, ohne Heizung, oft sogar ohne Schuhe. Mitglieder der AG Seenotrettung des Freundeskreises für Flüchtlinge in Fellbach sind dem Aufruf der Organisation Seebrücke gefolgt und haben am Samstag plakativ auf die Not in den Flüchtlingslagern an den Außengrenzen Europas aufmerksam gemacht.

 

Die im Oktober gestartete Kampagne „Sicherer Hafen Baden-Württemberg“ hat mit den landesweiten Aktionen der Forderung nach einem Landesaufnahmeprogramm Nachdruck verleihen wollen. Für die Aktion „Wärme für alle“ haben die Aktivisten aus Fellbach freiwillig gerne ein paar Stunden gefroren. Zunächst am Vormittag, als sie ihr Zelt auf dem Berliner Platz, direkt vor dem Weltladen, aufschlugen, und nun am Nachmittag vor dem Bahnhof. Sie alle bewegt die Enttäuschung über die unterlassene Seenotrettung im Mittelmeer, festgesetzte Rettungsschiffe, die nicht auslaufen dürfen, und die katastrophalen Zustände in den Flüchtlingscamps auf den griechischen Inseln. „Uns ist einfach wichtig, dass dieses bedeutende Thema in Fellbach präsent bleibt“, sagte Cornelia Funk vom Freundeskreis.

Orangefarbene Mützen als Signal

Gesehen wurde die Gruppe mit ihren Wollmützen in Signalorange und ihren Bannern von vielen, und es kamen auch mit Mund-Nasen-Bedeckung Gespräche zustande. „Etliche haben uns bestärkt, und erzählt, wie sehr ihnen die Schicksale der Geflüchteten zu Herzen gehen, dass ihnen oft die Tränen kommen, auch weil sie sich so ohnmächtig fühlen“, erzählte Cornelia Funk. Die meisten Passanten jedoch gingen stillschweigend an der kleinen Gruppe um das olivgrüne Zelt vorbei. Nur ein Mann tönte laut, sie sollten sich doch gefälligst lieber um die Deutschen kümmern und nicht um Ausländer.

Dass der Freundeskreis für Flüchtlinge in Fellbach im Teil-Lockdown light sein Angebot nicht an die Betroffenen bringen darf, stößt bei den engagierten Helfern derweil auf Unverständnis. „Wir sind schließlich kein Gastronomiebetrieb, sondern bieten den Geflüchteten wichtige Hilfsangebote“, sagte Cornelia Funk. Und stets seien dabei alle Vorgaben und Hygienestandards eingehalten worden.

Flashmob kommt nicht zustande

Weil die Ehrenamtlichen um die Bedeutung der regelmäßigen Treffen wissen, sind sie auf moderne Medien umgestiegen. Das Frauen-Café, in das immer um die 35 Frauen kommen, findet seit drei Wochen online statt. „Die Frauen wären sonst weitgehend isoliert“, sagte Christina Schwinghammer vom Freundeskreis. Sogar eine Kürbissuppe hätten sie so schon gemeinsam gekocht. „Jede hat gleichzeitig geschnippelt, und dann haben alle Bilder vom Essen gepostet.“ Für den kommenden Donnerstag ist wieder ein Online-Frauen-Café geplant – diesmal mit einer Fragerunde. Eine Lehrerin des Friedrich-Schiller-Gymnasiums werde Fragen rund um Schule und Corona beantworten, erklärte Christina Schwinghammer.

Insgeheim hatten die Helfer vom Fellbacher Freundeskreis gehofft, dass sich vielleicht ein spontaner Flashmob für die Seenotrettung bilden könnte. Dieser Wunsch ging nicht in Erfüllung, aber sie haben – nicht nur wegen den grellbunten Mützen – Farbe bekannt und sich mit den Seenotrettern im Mittelmeer solidarisiert.

„Wärme für alle“

Die Seebrücke ist eine internationale Bewegung, die von verschiedenen Bündnissen und Akteuren der Zivilgesellschaft getragen wird. Sie wurde Ende Juni 2018 gegründet, als das Rettungsschiff Lifeline mit 234 Menschen an Bord tagelang auf hoher See ausharren musste. Die Seebrücke solidarisiert sich mit Menschen auf der Flucht und setzt sich für sichere Fluchtwege, für eine Entkriminalisierung der Seenotrettung und eine menschenwürdige Aufnahme von Menschen, die fliehen mussten.

Neben den landesweiten Aktionen unter dem Motto „Wärme für alle“ gibt es einen Offenen Brief und eine Petition, in denen ein Landesaufnahmeprogramm gefordert wird, damit Flüchtlinge den Winter nicht in Camps verbringen müssen.