Die Altersstruktur in Stuttgart verändert sich – immer mehr junge Menschen leben in der Landeshauptstadt. Verschiedene Faktoren befördern die Entwicklung.

Stuttgart - Heusteigviertel, Hans-im-Glück-Brunnen, Hasenbergsteige: Martin Elbert ist ein echtes Stadtkind. Als DJ ist der gebürtige Stuttgarter in der hiesigen Gastroszene unterwegs und liebt das Flair seiner Heimat. „Es gibt hier tolle Menschen, die sich gegenseitig unterstützen“, schwärmt er. Stau, Mietwucher und schlechte Luft hingegen nimmt er als globale Großstadtphänomene in Kauf. Wenn sie Elbert dann doch mal nerven, weicht er auf den Bärensee aus, den Ort, an dem er am liebsten laufen geht: „Ich liebe den Wechsel zwischen Stadt und Natur“, erklärt er. Im März 2018 hat Martin Elbert seinen 41. Geburtstag gefeiert – und ist damit demografisch gesehen das Gesicht seiner Stadt. 41,9 Jahre alt ist der durchschnittliche Stuttgarter nämlich heute – ein Jungspund im Vergleich zum Durchschnitts-Baden-Württemberger, der nach Angaben des Statistischen Landesamts 2017 bereits 43,9 Jahre auf dem Buckel hatte.

 

Stuttgart ist jung

„Stuttgart ist strukturell eine junge Stadt“, bestätigt auch Attina Mäding vom Statistischen Amt der Stadt. „Rund 50 000 Menschen ziehen hier jedes Jahr her, über 50 Prozent davon sind zwischen 18 und 30 Jahren alt“. Gute Studiums- und Ausbildungsmöglichkeiten könnten der Grund dafür sein: Nachdem die Hochschulen ihr Studienangebot schrittweise ausgebaut haben und die wirtschaftliche Entwicklung die Nachfrage nach Arbeitskräften erhöht hat, ist die Landeshauptstadt zum Magneten für ein junges, urbanes Publikum geworden. „Stuttgart hat von der Bildungswanderung deutlich profitiert“, bestätigt Philip Klein vom Institut für Stadtplanung und Sozialforschung Weeber und Partner.

Dazu kommt der stadteigene Nachwuchs: Obwohl Stuttgart im Vergleich zum landesweiten Durchschnitt noch immer Nachholbedarf bei der Zahl der Neugeborenen hat, kamen 2017 pro 1000 Einwohnern rund 11 Kinder zur Welt – ein überraschend hoher Wert: „Durch die Zuwanderung aus dem In- und Ausland leben in der Stadt mehr Frauen im gebärfähigen Alter“, erklärt Mäding. Doch auch die Geburtenziffer, die Anzahl der Kinder, die eine Frau durchschnittlich bekommt, kletterte 2016 erstmals auf einen Wert von über 1,4. „Wir können bisher nur mutmaßen, ob das am Ausbau der Betreuungsangebote liegt“, so Mäding.

Durchschnittsalter relativ konstant

Gegen den Verjüngungstrend scheint auf den ersten Blick hingegen die Entwicklung des Durchschnittsalters in der Stadt zu sprechen – denn das ist im Laufe der letzten 20 Jahre weitgehend konstant geblieben. 1998 noch waren die Bewohner in Stuttgart durchschnittlich 41,7 Jahre alt. 2009 erreichte die Zahl schließlich ihren Höchstwert: Inzwischen sind Bewohner in der Landeshauptstadt bereits 42,2. Doch obwohl diese Entwicklung zumindest in einem geringen Maß den allgemein prognostizierten Trend widerspiegelte, die Bevölkerung werde tendenziell immer älter, begann das Durchschnittsalter daraufhin wieder abzufallen. Seit 2017 pendelt es sich nun auf einem durchschnittlichen Wert von 41,9 Jahren ein. Während dieser Durchschnittswert also vergleichsweise unbeweglich erscheint, sind es vor allem die neu zugezogenen jungen Erwachsenen und eine hohe Anzahl an Neugeborenen, die für die Veränderung der Altersstruktur in der Stadt sorgen.

Auch Migrantinnen bekommen wieder mehr Kinder

Und dass seit 2013 in Stuttgart auch Migrantinnen wieder mehr Kinder bekommen, könnte hingegen mit der Flüchtlingsbewegung zusammenhängen. „Migranten sind oft zwischen 20 und 35 Jahren alt. In einer Stadt werden also meist schon allein deshalb mehr Kinder geboren, weil Zuwanderung überhaupt stattfindet“, erklärt Boris Nieswand, der das Institut für Soziologie an der Universität Tübingen leitet. Die Flüchtlinge, die in diesen Jahren in Stuttgart ankamen, bauten sich ein neues Leben auf. Dass sie ihre Familienplanung in diese Zeit der Sicherheit legen, sei nachvollziehbar, so Nieswand.

Am anderen Ende des Altersspektrums hingegen tut sich vergleichsweise wenig. 18 Prozent der Stuttgarter sind 2018 im Rentenalter – eine Zahl, die in den letzten 20 Jahren beinahe konstant blieb und nach einem kleinen Hoch 2009 nun leicht sinkt: „Das könnte daher kommen, dass die Nachkriegsgeneration langsam stirbt“, mutmaßt Mäding. Dass Stuttgart auch in Zukunft weniger Senioren haben wird, bedeute das allerdings nicht. Spätestens wenn die Generation der Babyboomer in Rente gehe, werde die Zahl der über 65-Jährigen wieder steigen.

Renter leben in den Randbezirken

Leben tun diese vor allem in den Stuttgarter Randbezirken wie Sillenbuch: Mit 26,1 Prozent Rentneranteil ist das der älteste Bezirk der Stadt. Sabrina Pott vom Sozialamt Stuttgart erklärt sich dieses Phänomen unter anderem mit der Art und Weise, wie sich Menschen über die Jahre hinweg bewegen: Wenn irgendwo neu gebaut werde, ziehe das nämlich strukturell Familien mit Kindern an, so Pott. Man kauft sich ein Reihenhaus, packt sein Leben in einen Umzugslaster und – wird immer älter. „Wenn man dann schließlich ins Rentenalter kommt, möchte man natürlich so lange wie möglich im eigenen Haus wohnen bleiben.“ So könnte es auch dank eines Neubaugebiets in den 80er Jahren auch in Sillenbuch gewesen sein.

Auch heute findet man Familien eher selten in den Innenstadtbezirken. „In Stuttgart Süd und West zum Beispiel gibt es viel Altbau“, erklärt Sabrina Pott. Diese Wohnungen seien für Familien schlicht zu klein. „In den Außenbezirken ist der Anteil der Zwei- und Mehrfamilienhäuser hingegen höher.“ Wer mit Kind und Kegel umzieht, sucht große Wohnungen und ein potenzielles Zuhause für die nächsten Jahre. So wie zum Beispiel in Weilimdorf – der Stadtbezirk ist in Stuttgart einer der Bezirke mit den meisten minderjährigen Kindern. Schuld daran sei vor allem der Stadtteil Hausen, erklärt Pott: „Hier gab es vor einigen Jahren ein Neubaugebiet, in dem heute viele Familien leben.“

Martin Elbert hingegen ist in Weilimdorf aufgewachsen. „Meine Eltern wollten nie weit weg von meinen Großeltern, also sind wir geblieben“, erklärt er. Heute lebt er im Westen – und ist glücklich mit seinem Innenstadtkosmos. „Weiter raus als bis zum Südheimer Platz würde ich nicht mehr ziehen.“