Auch am Mittwoch haben wieder zahlreiche Beschäftigte des Sozial- und Erziehungsdienstes in Stuttgart die Arbeit niedergelegt. Im Rathaus ging es um die Frage, ob Pflegekräfte des Klinikums der Stadt eine freiwillige Zulage erhalten sollen.

Wegen Streiks im öffentlichen Dienst haben am Mittwoch erneut viele Beschäftigte des Sozial- und Erziehungsdienstes für einen Tag die Arbeit niedergelegt. Im Verwaltungsausschuss des Gemeinderates ging es an diesem Tag auch um die Frage, ob Pflegekräfte im Klinikum der Stadt mehr Geld bekommen sollen.

 

Auf dem Stuttgarter Marktplatz sind um die Mittagszeit die Erzieherinnen zusammengekommen. Unter dem Motto „Pädagogische Betreuung am Limit“ haben sie ihren Forderungen Nachdruck verliehen: die Aufwertung des Berufs, mehr Entlastung im Alltag. Insgesamt haben sich 1266 städtische Beschäftigte an dem Warnstreik beteiligt. 101 von rund 180 Kitas blieben geschlossen, 47 waren zumindest zum Teil geöffnet. Zwei von neun Schülerhäusern und vier von insgesamt 15 Ganztagsbetreuungen waren ebenfalls geschlossen, etliche aber blieben teilgeöffnet. Landesweit haben laut der Gewerkschaft Verdi insgesamt 3700 Beschäftigte die Arbeit niedergelegt.

Kompromissvorschlag von SPD und Grünen

Während auf dem Marktplatz lautstark protestiert wurde, befasste sich im Rathaus der Verwaltungsausschuss mit einem Thema, das ebenfalls von Verdi lanciert wurde. Deren Vertreter im Verwaltungsrat des städtischen Klinikums haben unterstützt von der Linksfraktion im Rat die Forderung erhoben, das Pflegepersonal besser zu bezahlen. Je nachdem, welche der vier vorgeschlagenen Varianten man realisieren würde (von 500 Euro mehr im Monat bis zum zeitlichen Vorziehen einer Gehaltsstufe) könnte dies das Klinikum zwischen 4,4 und 12,9 Millionen Euro mehr im Jahr kosten. Die Begründung für den Vorstoß: die sehr hohen Lebenshaltungskosten und Mieten in Stuttgart, eine höhere Wertschätzung der Pflege, das Gewinnen und den Erhalt von Personal.

Inzwischen haben SPD und Grüne im Rat nachgezogen und eine Art Kompromissvorschlag unterbreitet. Die beiden Fraktionen können sich vorstellen, dass die Pflegekräfte im Klinikum mehr Geld „in der Größenordnung von etwa einer Gehaltsstufenvorweggewährung“ bekommen könnten, was das Klinikum 4,3 Millionen Euro mehr im Jahr kosten würde. Grüne und SPD verweisen darauf, dass das Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) einen solchen Schritt im Umfang von rund vier Millionen Euro im Jahr vorgenommen habe, was im Rahmen des Tarifvertrages auch durchaus möglich sei.

Kassen klagen vor dem Verwaltungsgericht

Das RBK hatte dieses Vorgehen damit begründet, dass das Klinikum zuvor schon Funktionskräften etwa im OP und in der Intensivpflege übertariflich bis zu 400 Euro mehr bezahle und man, um weiter ausreichend Pflegekräfte gewinnen zu können, reagieren müsse. Allerdings wollen die Krankenkassen schon den Zuschlag des RBK nicht bezahlen und klagen am Verwaltungsgericht. Deshalb soll der Rat nach dem Willen der drei Fraktionen erklären, dass die Stadt die Mehrkosten des Klinikums trägt, falls die Kassen sich durchsetzen.

Krankenhausbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) machte deutlich, warum er die freiwillige Leistung trotz „höchster Wertschätzung“ für die Pflege als „problematisch“ sieht. Schon heute gebe es den Vorwurf der anderen Krankenhausträger, dass die Stadt ihrem Klinikum mit Steuergeldern Wettbewerbsvorteile verschaffe. Fuhrmann, der dem Verband der Stuttgarter Krankenhäuser vorsteht, warnte davor, den Verband durch einen solchen Schritt „einseitig zu gefährden“. Gerade die Coronapandemie habe gezeigt, wie wichtig das Miteinander der Träger sei. Und solche Freiwilligkeitsleistungen seien haushaltsrechtlich nur dann zulässig, „wenn ein dringendes Bedürfnis“ vorliege.

Klinikum hat viele Pflegekräfte

Ob dies hier der Fall ist, stellte der Kaufmännische Vorstand des Klinikums, Alexander Hewer, eher infrage. So beschäftige das Klinikum der Stadt schon heute „mehr Pflegekräfte“ als andere vergleichbare Häuser der Republik. Man liege hier „nach objektiven Kriterien“ bei den Krankenhäusern mit mehr als 1000 Betten bundesweit auf Platz fünf. „Wir sind deutlich besser ausgestattet als andere“, so der Vorstand. „Das werden uns die Kassen vorhalten.“ Deshalb sprach er sich für eine „tarifvertragliche Lösung“ für die Besserbezahlung der Pflege aus.

CDU-Fraktionschef Alexander Kotz erklärte zu dem Antrag: „Wir tun uns damit schwer.“ Man solle als Gemeinderat nicht nur das eigene Klinikum im Blick haben, so Kotz, sondern den Standort „gesamthaft anschauen“. Matthias Oechsner (FDP) beklagte „die Machtfülle der Kassen“, die, obwohl die Pflege aus dem System der Fallpauschalen herausgenommen worden sei, dennoch nicht zahlten. Oechsner sprach von einem „richtigen Anliegen“. Eine bessere Bezahlung von Pflegekräften sei aber „Aufgabe der Tarifparteien, nicht der Träger“. Ein Beschluss wurde nicht gefasst. Der soll an diesem Donnerstag im Gemeinderat erfolgen.