Die Regierung des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orban plant, die Kultureinrichtungen im Land durch den Staat zu kontrollieren. Am Montag machten sich Tausende in Ungarn für die Autonomie der Kunst stark.

Budapest - Tausende Budapester haben am Montagabend zusammen mit ihrem neuen Oberbürgermeister Gergely Karacsony für die Freiheit der Kunst demonstriert. Der Protest im Stadtzentrum richtete sich gegen ein geplantes Gesetz der Regierung des rechten Ministerpräsidenten Viktor Orban, das die Autonomie der Theater und anderer Kultureinrichtungen einzuschränken trachtet. Auch im restlichen Land gab es Proteste gegen die Pläne, die Theater stärker zu kontrollieren.

 

Die Regierung des Rechtspopulisten Orban hatte am Montag einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Kultureinrichtungen im Land einer stärkeren Kontrolle durch den Staat unterwerfen will. So sollen staatliche Mittel für Theaterhäuser laut dem Gesetzentwurf an staatliche Mitspracherechte bei der Auswahl von Intendanten geknüpft werden. Demnach soll die Regierung über einen neuen Nationalen Kulturrat die „strategische Lenkung“ über alle Bereiche der Kultur ausüben, um „die nationale Kultur zu bewahren und die nationale Identität zu stärken“, wie es in dem Dokument heißt. Das Gesetz könnte bereits am Mittwoch im Parlament beschlossen werden, eine wesentliche Debatte ist nicht geplant.

Kritiker werfen der Regierung vor, mit dem Gesetzesvorhaben in die Freiheit der Kunst eingreifen zu wollen. Theatermacher verglichen die geplanten Maßnahmen mit der Zensur während des Kommunismus. „Nach 30 Jahren Demokratie hätte ich nicht gedacht, dass ich mich je wieder so fühlen würde wie damals“, schrieb die Schauspielerin Judit Pogany, die seit den 60er Jahren auf der Bühne steht, im Internet.

Erinnerung an AfD-Anfrage in Baden-Württemberg

Unter anderen schafft das geplante Gesetz die Voraussetzung dafür, dass die Regierung künftig bei der Bestellung der Intendanten von Stadttheatern bestimmend eingreifen kann. Bisher haben die Gemeinden allein entschieden, wer die von ihnen betriebenen Theater leitet. Beobachter sehen darin eine Reaktion der Orban-Regierung auf die Kommunalwahlen im Oktober, bei denen Orbans Fidesz-Partei die Hauptstadt Budapest und zehn weitere Städte an die Opposition verloren hatte.

Gergely Karacsony, der als links-grüner Politiker und gemeinsamer Kandidat der Opposition Budapester Oberbürgermeister wurde, bezeichnete das neue Gesetz in seiner Ansprache als „Diktat“ der Orban-Regierung, das die Kulturschaffenden um ihre Freiheit bringen werde. „Wenn wir die Freiheit der Theater verteidigen, verteidigen wir die Freiheit der Stadt“, fügte er hinzu.

Innerhalb der EU steht Orbans Fidesz-Partei wegen eines Rechtsstaatlichkeitsverfahrens unter Druck. Fidesz und Orban werden antieuropäische Umtriebe, autoritäre Züge sowie die Einschränkung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit vorgeworfen.

Die Demonstrationen in Ungarn erinnern an die Proteste in Baden-Württemberg in diesem Sommer nach einer Anfrage der AfD im Landtag, die Zahlen über die Staatsangehörigkeiten der Theatermitarbeiter erheben wollte. Die AfD forderte damals die Offenlegung, wie viele Balletttänzer, Schauspieler, Sänger und Musiker in der Oper keinen deutschen Pass besitzen. Außerdem wollte die Partei wissen, welche Staatsangehörigkeit die Künstler haben und wo sie ausgebildet wurden.