In Stuttgart haben mehrere Hundert Studierende und Unibeschäftigte für eine auskömmliche Finanzierung der Hochschulen demonstriert. Andernfalls drohen den Studierenden weitere spürbare Einschränkungen im Lehrbetrieb. Auch in den anderen Unistädten gab es Aktionen.

Stuttgart - Auf dem Campus der Uni Hohenheim hat sich der landesweite Widerstand gegen die unzureichende Finanzierung der Hochschulen am Mittwoch bereits um 8 Uhr formiert: als Trauerzug mit Sarg, Traktoren mit platten Hinterreifen und dem Transparent „Die Luft ist raus“. Und zwar buchstäblich. „Wir schlagen Alarm, weil unsere Lehre kaputtgespart wird“, erklärt der Astavorstand Ernesto Lunar Koch. Dem Aufruf der Astenkonferenzen gefolgt sind allein in Stuttgart mehrere Hundert Studierende, Wissenschaftler, Unibeschäftigte. An allen neun Unistädten wird demonstriert.

 

Der sorgfältig angelegte „Bildungsfriedhof“ hinter dem Schloss mit Grablichtern und Erikatöpfchen schafft den bilderstarken Rahmen für die Aktion der Hohenheimer. Koch erläutert, was den Studierenden blüht, wenn die Landesregierung beim künftigen Hochschulpakt nicht noch nachlegt: „Tutorien, die euch vor Prüfungen helfen, wird’s dann nicht mehr geben.“

Der Hohenheimer Unirektor Dabbert kündigt „einschneidende Konsequenzen“ an

Auch Rektor Stephan Dabbert kündigt für diesen Fall „einschneidende Konsequenzen“ an: „Wir werden gezwungen sein, kleinere, aber für jeden von Ihnen spürbare Einsparungen vorzunehmen.“ Im akademischen Mittelbau und bei den technischen Diensten fehle es schon jetzt an Dauerstellen, moniert ein Vertreter. Auch Lehrstuhlinhaber Hans-Peter Burghof erklärt: „Wir brauchen für neue Aufgaben auch neue Stellen, viele Verwaltungsprozesse stammen aus der Steinzeit.“ Die Bürokratie bremse Forschung und Lehre.

Richtig laut wird es, als am späten Vormittag der Stuttgarter Unirektor Wolfram Ressel „alle mal richtig an die Trillerpfeife“ bittet. „Und bitte nachher bei der Ministerin genauso, damit die aufwacht“, so Ressel. Denn: „Wir werden mit hoher Sicherheit Kürzungen durchführen müssen.“ Etwa beim Mint-Kolleg und anderen Angeboten für Studienanfänger.

Studierende klagen schon jetzt über überfüllte Übungsgruppen

Genau deshalb ist Melika, Fünftsemester der Wirtschaftswissenschaften, auch zur Demo in die City gefahren: „Wenn das abgebaut wird, wird es für die Studierenden noch schwieriger.“ Hannah Zweigart, Siebtsemester der Technischen Kybernetik, weiß, gerade das Mint-Kolleg sei eine „unglaubliche Unterstützung der Studierenden“. Melika wünscht sich, dass die Bestände der Unibibliothek aufgestockt werden und das WLAN auf dem Campus funktioniert. Hannes Geiger, Fünftsemester der Luft- und Raumfahrttechnik, sagt: „Schon jetzt sind Übungsgruppen überfüllt.“ Bei Tutorien mit 50 Leuten sei es kaum noch möglich, Fragen zu stellen.

Moritz Stuhlfarth und Francesco Detulio, beide Sechstsemester Audiovisuelle Medien, lernen an der Medienhochschule Fernsehproduktion und bedauern, dass technische Mitarbeiter dafür fehlen. „Damit fehlt ein großer Lernfaktor.“

Die Rektoren hätten da schon eine Idee, wie die Hochschulen doch noch zu Geld kommen könnten: Über die Strafzahlungen zweier großer Autokonzerne müssten doch 100 Millionen Euro drin sein, so Ressel. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) zeigt zwar Verständnis für den Protest und die Forderungen. Aber das kann sie nicht zusichern.

Die Vorstellungen gehen weit auseinander

Vertrag Für die Hochschulen geht es um die Finanzgrundlage bis zum Jahr 2025. Der aktuelle Hochschulfinanzierungsvertrag endet 2020. Seit 2015 stieg die Grundfinanzierung der Hochschulen um drei Prozent pro Jahr. Von 2,47 Milliarden Euro im Jahr 2015 soll sie auf 3,05 Milliarden Euro anwachsen. Jetzt verhandeln Hochschulen und Land den neuen Vertrag, der von 2021 bis 2025 laufen soll. Sie erwarten erneut eine Steigerung der Grundfinanzierung um jährlich drei Prozent. Die Rektoren sehen einen Zusatzbedarf von 450 Millionen im Jahr. Im Etatentwurf des Landes für 2021 sind 125 Millionen vorgesehen.

Boom Mit dem Zuwachs der Studierendenzahlen hat die Finanzierung trotz des erhöhten Betrages nicht Schritt gehalten. Der Zuschuss pro Student ist gesunken. Die Hochschulen erwarten eine Anhebung des Zuschusses um 1000 Euro. In Baden-württemberg gibt es zurzeit rund 360 000 Studierende.