Viele Kinder aus Familien, in denen kein oder nur unzureichend Deutsch gesprochen wird, sind durch den Lockdown in Rückstand geraten. Sprachförderung nach den Denkendorfer Modell steht das Kind und dessen Interessen im Vordergrund. Gelernt wird mit allen Sinnen.

Esslingen - Der Lockdown bedeutete auch für die Sprachförderung eine Zwangspause. Die Folgen sind noch immer zu spüren. Monatelang waren Kitas und Schulen geschlossen und es gab nur Notbetreuung. Die Sprachhilfekräfte mussten außen vor bleiben. Auch wenn Erzieherinnen sich noch so engagiert haben – viele Kinder mit Sprachdefiziten wurden in dieser Zeit noch mehr abgehängt. Umso wichtiger ist es, dass Sprachförderung jetzt wieder möglich ist. „Wir versuchen, unsere normale Tätigkeit wieder aufzunehmen“, sagt Susanne Franke, Mentorin der Sprachhilfe Esslingen. Aber die Pandemie hat Spuren hinterlassen. So sind Sprachförderkräfte abgesprungen. „Einigen wurde es einfach zu riskant“, sagt Franke. Gleichzeitig war es sehr schwierig, neue Kräfte zu motivieren. Denn hospitieren war ebenfalls nicht möglich. „Wir müssen jetzt Aufbauarbeit leisten“, sagt Susanne Franke, die seit 2001 im Esslinger Kindergarten St. Agnes im Einsatz ist. Weil Personal fehlt, kann die Sprachhilfe Esslingen im Kitabereich derzeit nur Angebote für Vorschulkinder machen. Betreut werden von der Sprachhilfe derzeit 21 Kindergärten statt 42 vor der Coronakrise. Seit die Sprachförderangebote im Kindergarten nach der Verwaltungsvorschrift „Kolibri“ des Kultusministeriums arbeiten, muss zudem mehr dokumentiert werden. Grundsätzlich sei das eine gute Sache, so Franke, aber es binde Kapazität.

 

Auch deutschsprachige Kinder brauchen vermehrt Hilfe

Die Sprachhilfe Esslingen arbeitet nach dem sogenannten Denkendorfer Modell. 1973 ging von der damaligen Fortbildungsstätte der evangelischen Landeskirche Württemberg im Kloster Denkendorf der Impuls zur Sprachhilfe für ausländische Kinder aus. Seit 2006 werden auch deutschsprachige Kinder nach diesem Konzept gefördert. „Es gibt immer mehr, die nicht in ganzen Sätzen sprechen und ihre Wünsche äußern können“, sagt Franke. Geprägt ist ihre Arbeit und die ihrer Mitstreiterinnen von einer positiven Grundhaltung: „Wir setzen bei dem an, was wir vorfinden. Und nutzen die Chancen.“

Praktiziert wird das Denkendorfer Modell in vielen anderen Kommunen. Es ist auch eine Art Qualitätsmerkmal geworden. „Das Konzept muss von den Mitarbeitern gekannt und gelebt werden“, sagt Birgit Schroth, die Vorsitzende des Verbands Denkendorfer Modell. „Keiner steigt bei uns ohne eine umfassende Ausbildung ein“, betont sie. Auch später gibt es regelmäßig Weiterbildungen. Für ihre Arbeit bekommen die Sprachförderkräfte zwar eine Aufwandsentschädigung und Fahrtkosten ersetzt. „Rein als Job kann man es sicher nicht sehen“, sagt Birgit Schroth.

Anknüpfen an die Interessen der Kinder

Von Anfang an war das Denkendorfer Modell ein Ansatz, der sehr auf das Kind ausgerichtet ist und immer geleitet wird von der Frage, was ihm Freude bereitet. „Daran hat sich bis heute nichts geändert“, sagt Birgit Schroth. Sprache soll über alle Sinne gelernt werden. „Es geht darum wahrzunehmen, was das Kind beschäftigt. Daran wird angeknüpft“, so Schroth. Im Mittelpunkt steht der Dialog. Eine zentrale Rolle spielt die Muttersprache. Sie fließt in die Sprachförderung ein, mal werden ausländische Bücher vorgelesen, mal über Feste anderer Kulturen geredet. Auch an Esslinger Schulen bietet die Sprachhilfe Esslingen Förderung nach dem Denkendorfer Modell an. Während in Kitas die Finanzierung kaum ein Problem darstellt, sah es für die Schulen im Sommer so aus, als ob der schulbegleitenden Hausaufgaben-, Sprach- und Lernhilfe (HSL) der Aderlass droht. In letzter Minute und nach Protesten von Sprachförderern wurde die am 31. Juli auslaufende HSL-Förderrichtlinie für zwei Jahre verlängert. Kultusministerin Theresa Schopper ist zudem bereit, die Forderungen des Verbands zu prüfen. Dabei geht es um inhaltliche Fragen und um mehr Geld.